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Clara

Clara

Titel: Clara
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Gäste?«
    »Nein.« Toppe schwankte zwischen Belustigung und Ärger. »Wir haben jeder unser eigenes Zimmer und jeder unser eigenes Bett. Setz dich schon mal.«
    Van Appeldorn ließ sich im Sessel nieder. »Kann ja unter gewissen Umständen ganz praktisch sein«, murmelte er vor sich hin. Er fröstelte, rückte dichter ans Feuer und streckte die klammen Hände vor. Seine Zehen spürte er schon seit heute morgen nicht mehr, dabei trug er die gefütterten Schuhe, die Marion ihm für einen Skiurlaub gekauft hatte, der nie gelaufen war. Irgendwas war damals dazwischen gekommen, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, was es gewesen war. Er sah sich um. Sein Blick glitt über die Bücherwand, die beiden gerahmten Drucke, den indianischen Bettüberwurf. Dieses Zimmer war so gemütlich, daß es schon aufdringlich war.
    »So, jetzt bin ich wieder einigermaßen salonfähig.« Astrid stand da und hielt ihm eine Schale Pistazien hin. Sie trug irgendwas langes Schwarzes und dicke graue Socken. Er winkte ab, wollte eigentlich nur endlich nach Hause. Toppe brachte drei Becher Grog, bot Astrid den zweiten Sessel an, aber sie wollte lieber auf dem Boden gleich vorm Feuer sitzen.
    Van Appeldorn holte seine Notizen aus der Innentasche. »Männliche Leiche, 181 cm groß, Gewicht: 74 kg, Schuhgröße 42, braunes Haar, braune Augen, Alter ca. 20 Jahre. Es ist inzwischen eindeutig, daß der Mann bereits vor seinem Eintritt ins Wasser tot war. Darauf weist der geringe, nur passive Wassereintritt in die Lunge hin. Die Lunge war zunächst mit Luft gefüllt, dadurch war sie leicht. Das heißt, der Leichnam ist relativ spät gesunken.«
    »Was muß ich mir unter relativ spät vorstellen? Eine Stunde, zehn Minuten?« fragte Toppe.
    Van Appeldorn runzelte entnervt die Stirn. Er war müde, und jede Unterbrechung bedeutete, daß er noch länger hier sitzen mußte. Aber er riß sich zusammen. »Ich weiß es nicht. Die Frage ist mir, ehrlich gestanden, nicht in den Sinn gekommen. Soll ich Bonhoeffer deswegen anrufen?«
    »Ach was, das hat Zeit bis morgen.«
    »Also weiter … relativ spät gesunken. Das kann man deutlich an der Betonung der Totenflecken an Kopf, Armen und Beinen sehen.«
    Astrid räusperte sich vorsichtig und sah ihn an. Van Appeldorn legte seine Zettel auf die Sessellehne. »Bevor eine Leiche sinkt, hängt sie quasi im Wasser.« Er beugte sich vor, ließ Kopf und Arme baumeln. »So. Alles klar?«
    Toppe nickte ruhig.
    »Gegen den Tod durch Ertrinken sprechen auch noch andere Dinge: das Blut ist nicht auffällig flüssig sondern völlig normal, der Mageninhalt ist nicht schaumig. Der Mann hatte nichts verschluckt, da war kein Schlamm in der Speiseröhre, kein Wasser in der Paukenhöhle. Vor allem aber gab es im Magen keine Diatomeen.«
    »Selbstverständlich, ist doch ganz klar«, murrte Astrid.
    »Kieselalgen«, erklärte van Appeldorn. »Und der Tote hat keine Gänsehaut.«
    Er ließ den Satz ein bißchen stehen, und beide schauten ihn an. »Ich fand das auch spannend. Leute, die ertrunken sind, haben eine Gänsehaut. Verrückt, nicht? Aber weiter: Es liegen einige Verletzungen vor, die erst nach dem Tode beigebracht worden sind: parallele Schnitte mit kreidigweißlichen Rändern, besonders am Gesichtsschädel, weisen auf Kontakt der Leiche mit einer Schiffsschraube hin. Ferner gibt es Rißwunden ohne Einblutung – weil der Mensch eben schon tot war – die auf einen Aufprall schließen lassen. Brückenpfeiler, Buhnen, die Verladerampe bei Spyck oder so. Wichtiger für uns sind aber die Verletzungen, die dem Mann vor seinem Tod zugefügt worden sind. Die Totenflecken sind spärlich, was auf eine Anämie hindeutet, auf einen Blutverlust vor dem Tod durch blutende Verletzungen. Es finden sich Hinweise auf Schläge mit einer Stange, Parallelstreifen, wo die Haut unterblutet ist. Des weiteren Anzeichen für Tritte, nämlich dreieckig abgerundete Blutergüsse. Der Tote hat mehrere Knochenbrüche: rechter Oberschenkel, rechter Ober- und Unterarm, ein paar Rippen. Die darüberliegenden Weichteile sind eingeblutet. Bonhoeffer hat«, van Appeldorn mußte auf seinen Zettel schauen, »einen leichten Katecholaminanstieg im Blut gefunden, ebenso einen Histaminanstieg. Beides bedeutet, daß der Mann vor seinem Tod unter Streß gestanden hat. Er war ziemlich eindeutig in einen Kampf verwickelt. Darauf weisen Abwehrverletzungen an Händen und Unterarmen hin.«
    »Woran ist er denn gestorben?« wollte Astrid wissen.
    »Durch die Knochenbrüche
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