Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clara

Clara

Titel: Clara
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
Vom Netzwerk:
Streuselkuchen.
    »Mahlzeit, Toppe! Auch ’n Stücksken?«
    »Nein, im Moment nicht, danke.«
    »Komisch, ich hab gehört, Sie wären so ’n Süßer. Ach«, grinste der Kollege dann breit, »ihr hattet ja ’ne Wasserleiche heute morgen!«
    Toppe verzog unwillig den Mund. Er hatte wenig übrig für derbe Scherze. Seine Abneigung gegen die rüde Flapsigkeit, mit der einige sich den häufigen Umgang mit Toten erträglich zu machen suchten, war in den letzten Jahren immer stärker geworden und hatte so manchem schon einen Rüffel oder auch einen kleinen Vortrag über Pietät und Menschenwürde eingehandelt. Was Toppe bei einigen Kollegen nicht gerade beliebt machte, die anderen zumindest verunsicherte. Der Beamte hielt denn auch den Mund und guckte nur fragend.
    »Ihr habt nicht zufällig eine Vermißtenmeldung vorliegen?«
    »Ha, wat et alles gibt! Wochenlang war nix, aber …« Er bückte sich und holte unter dem Tresen ein Formular hervor.
    »Hab ich übrigens selber aufgenommen. Hier, ein Herr Poorten aus Griethausen hat am letzten Samstag – das war der 10.2. – um 18 Uhr gemeldet, daß sein Sohn Ralf verschwunden ist. Ralf Poorten, 19 Jahre alt, 182 cm groß, schlank, dunkles, kurzes Haar, braune Augen. Zum letzten Mal gesehen worden von seinen Eltern am Freitag, den 9.2. zu Hause gegen 19.30 Uhr. Sein Motorrad ist auch weg. Eine schwarze BMW, Kennzeichen hab ich hier. Bekleidet war der Junge vermutlich mit einer schwarzen Lederhose, schwarzer Lederjacke und Motorradstiefeln, auch schwarz. Außerdem trug er wohl einen Integralhelm in Pink und Blau.«
    »Hm«, nickte Toppe. »Was habt ihr unternommen?«
    Der Kollege hob die Schultern. »Viel noch nich’. War ja Wochenende. Das Übliche eben. Is’ der denn jetzt eure Wasserleiche?«
    »Könnte gut sein.«
    »Und? Wat machen wir jetzt? Sollen wir die Eltern benachrichtigen?«
    Toppe schüttelte heftig den Kopf. »Wir müssen den Pathologiebericht abwarten. Identifizieren kann den Toten nämlich so keiner mehr.«
    Der Beamte verzog angeekelt das Gesicht. »Ba!«
    »Höchstens anhand der Kleidung. Laßt mich mal eben an euer Telefon. Ich muß Bonhoeffer sagen, daß er Fingerabdrücke nehmen soll. Falls das überhaupt möglich ist …«

    Behutsam, immer den Blick an die Decke geheftet, stieg Toppe von der Treppenleiter. Es klingelte.
    »Die Tür ist offen«, rief er verhalten und ließ die frisch verputzte Stelle nicht aus den Augen.
    »’n Abend«, sagte van Appeldorn und schloß die Haustür.
    Platsch! machte es, und der nasse Klatschen Zement landete auf Toppes Schulter. Er breitete resigniert die Arme aus. »Ich kriege das einfach nicht hin, Mensch.«
    Van Appeldorn betrachtete die großen Löcher in der Decke, dann die Zementplacken auf dem Boden und schmunzelte. »Da muß auch ein Fachmann ran.«
    »Und der bist du?«
    »Quatsch, nein. Aber mein Freund Rudi, der kann so was. Soll ich den mal fragen?«
    Toppe versuchte, den Dreck von der Schulter zu wischen. »Ja, mach das, wäre nett. Warst du bis jetzt in der Pathologie?«
    »Siehst du das nicht? Ich bin blau gefroren. In dem Bunker ist es auch nicht viel wärmer als draußen.«
    Gabi huschte auf nackten Füßen die Treppe hinunter. Als sie van Appeldorn sah, raffte sie schnell ihren Bademantel am Ausschnitt zusammen. »Hallo, Norbert«, grüßte sie und verschwand in der Küche.
    Van Appeldorn hob die Augenbrauen. »Hallo, Gabi«, rief er ihr nach. »Ihr habt’s aber schön warm hier.«
    Aus dem Badezimmer kam Astrid, mehr schlecht als recht bekleidet mit einem weißen Badetuch, das sie über der Brust zusammengeknotet hatte. »Grüß dich, Norbert.«
    Van Appeldorn schluckte kurz. »Living life the easy way«, summte er dann.
    Astrid griente. »Ich zieh mir schnell was an und komme dann zu euch. Du hast doch sicher was zu erzählen.«
    »Gib mir deinen Mantel«, streckte Toppe die Hand aus. »Wir gehen in mein Zimmer. Ich hab vorhin den Kamin angemacht.«
    Van Appeldorn ging voran. »Ein eigenes Zimmer mit offenem Kamin. Nicht schlecht, muß ich sagen, nicht schlecht.«
    Er sah sich um, ein großer Schreibtisch, viele Bücher, zwei Ohrensessel vor dem Feuer. Sein Blick ruhte lange auf dem Bett, das zwar breit, aber eindeutig ein Einzelbett war. Man konnte sehen, wie er an der Frage schluckte.
    »Willst du was trinken?« Toppe stand noch in der Tür.
    »Hast du irgendwas Warmes da? Grog oder so.« Jetzt war van Appeldorn eine passende Formulierung eingefallen: »Ihr nutzt das Zimmer wohl auch für
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher