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Cinderella kehrt zurück

Cinderella kehrt zurück

Titel: Cinderella kehrt zurück
Autoren: VICTORIA PADE
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Wohnzimmer entdeckt hatte.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, dass er kurz aus dem Fenster neben der Tür schaute, bevor er öffnete.
    „Es tut mir leid, dass ich störe“, sagte sie schnell, bevor er ihr deutlich machen konnte, wie richtig sie mit ihrer Vermutung lag. „Bei mir ist wohl gerade eine Sicherung rausgesprungen, und jetzt kann ich den Sicherungskasten nicht finden und meine Taschenlampe auch nicht. Und weil unsere beiden Häuser doch baugleich sind, dachte ich, du könntest mir vielleicht …“
    „… sagen, wo der Kasten ist, und dir eine Taschenlampe leihen“, brachte er ihren Satz zu Ende. Seine Stimme klang höhnisch – aber das kannte sie ja nicht anders.
    „Ganz genau“, sagte sie.
    Einen Moment lang rechnete sie damit, dass er ihr einfach die Tür vor der Nase zuknallen würde, aber er trat auf einmal ein Stück zurück und forderte sie damit auf, zu ihm ins Haus zu kommen.
    „Danke“, erwiderte sie leise.
    „Ich ziehe mir nur schnell Schuhe und Jacke an, den Sicherungskasten muss ich dir wohl zeigen.“ Dann ließ er sie einfach so im Windfang stehen und ging den Flur entlang, der auch in ihrem Haus zu den Schlafzimmern führte.
    Vorsichtig lugte sie um die Ecke in sein Wohnzimmer. Der Raum war zweckmäßig eingerichtet, ohne dabei irgendwelchen gestalterischen Ansprüchen genügen zu wollen. Es gab ein großes braunes Ledersofa und einen dazu passenden Sessel. Die Sitzmöbel standen nebeneinander und waren dem Fernseher zugewandt – nicht besonders kommunikativ, fand Eden.
    Auf dem Couchtisch vor dem Sofa lagen noch die Reste von Cams Abendessen und einigen anderen Mahlzeiten davor. Ansonsten gab es einen kleinen Beistelltisch zwischen Sofa und Sessel, eine Stehlampe sowie den Fernseher und eine hochmoderne Stereoanlage. An den Wänden hing kein einziges Bild, und sie konnte auch sonst nichts Dekoratives in diesem Zimmer entdecken. Am meisten wunderte Eden sich aber darüber, dass in den eingepassten Bücherregalen kein einziges Buch stand. Wenn sie selbst nicht so viele Bücherkartons gehabt hätte, wäre ihr Umzug nach Northbridge sehr viel günstiger gewesen.
    „Komisch eigentlich, dass jemand mit deiner Intelligenz nicht schon vorher mal auf die Idee gekommen ist, im neuen Haus nach dem Sicherungskasten zu suchen.“
    Er war also zurück.
    Eden drehte sich wieder zum Flur, den er gerade entlangkam. Er trug Turnschuhe und eine graue Kapuzenjacke, in der Hand hielt er eine riesige Taschenlampe.
    „Du kannst einfach nicht aufhören damit, was?“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihm.
    Er stellte sich dumm. „Womit?“
    In diesem Moment wusste Eden, dass sie die Vergangenheit nicht einfach Vergangenheit sein lassen konnten. Egal, wie unangenehm es würde, sie musste mit ihm über das sprechen, was vor vierzehn Jahren passiert war, und sich wohl bei ihm entschuldigen. Sonst würden sie nie vernünftig miteinander umgehen können.
    „Hör mal, ich weiß ja, dass ich mich unmöglich aufgeführt habe, als unsere Mütter damals unbedingt wollten, dass ich dir Nachhilfe in Physik gebe …“, begann sie.
    „Unmöglich ist gar kein Ausdruck!“, brauste er sofort auf. „Du hast mir jedes Mal deutlich unter die Nase gerieben, dass du mich für strohdumm hältst. Das war mehr als bloß unmöglich, das war absolut grausam.“
    Schnell senkte Eden den Kopf, damit sie ihm nicht ins Gesicht sehen musste. „Okay, ich war ganz schön grausam“, gab sie zu. Die Sache war ihr schrecklich peinlich.
    „Du meintest, du fändest es unglaublich, dass jemand wie ich überhaupt lesen kann“, fuhr er fort. „Du würdest dich wundern, dass ich die Grundschule erfolgreich hinter mich gebracht hätte. Und dann hast du mich noch gefragt, ob du wohl auf meinem Abschlusszeugnis erwähnt wirst, weil ich das ohne dich nie bekommen würde. Du hast …“
    „Ja, das weiß ich alles“, unterbrach Eden ihn. Dann zwang sie sich, ihm in die Augen zu sehen. „Das ist mir alles furchtbar unangenehm. Du bist der einzige Mensch, den ich so behandelt habe, in meinem ganzen Leben.“
    „Soll ich mir darauf etwa noch etwas einbilden?“
    „Natürlich nicht. Damit will ich bloß sagen, dass das unter besonderen Umständen passiert ist. Und außerdem war ich damals nicht ich selbst.“
    „Ach! Wer warst du denn dann, wenn nicht du selbst?“
    „Ich war das Mädchen, das völlig überfordert damit war, mit sechzehn Jahren schon die Abschlussklasse zu besuchen. Ich war die, über die ihr älteren, coolen
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