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Ciara

Ciara

Titel: Ciara
Autoren: Nicole Rensmann
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seinen Zähnen eine Wunde in den Hals wie ein wildes Tier? Was glauben Sie, wie man sich da fühlt?« Ruckartig richtete sich das bis dahin friedlich schlafende Frettchen auf, stelzte vorsichtig über das weiche Kopfkissen näher zu Ciara heran und schmiegte sich an sie.
    »Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht verletzen, Frau Duchas.« Marina Bonito hob eine Hand, als wolle sie Ciara diese tröstend auf den Arm legen, zögerte jedoch und ließ die Hand sinken.
    »Stellen Sie mir bitte Ihre Fragen.« Ciaras Stimme klang fest, doch die Finger, mit denen sie sich eine Strähne ihres roten Haares aus der Stirn strich, zitterten. Sie ballte eine Faust und versteckte diese unter der Bettdecke. Die Kanüle in der Hand spannte schmerzhaft.
    »Können Sie den Mann beschreiben?«, fragte die an der Tür stehende Beamtin und wandte ihr schmales, ausdrucksloses Gesicht Ciara zu. Für wenige Sekunden erwiderte Ciara den Blick, fuhr sich dann mit dem linken Handrücken über die Augen. Das Kabel der Kapillarfühler störte sie. Dann starrte sie wieder zur Zimmerdecke hinauf. »Er trug einen langen schwarzen Lodenmantel mit einer großen Kapuze, die er tief in sein Gesicht gezogen hatte. Ich konnte ihn in der Dunkelheit nicht erkennen.«
    »Ist Ihnen sonst irgendetwas aufgefallen? Hat er mit Ihnen geredet? Stand ein Auto in der Nähe?« Marina Bonito führte das Gespräch weiter.
    Ciara schüttelte den Kopf. Dann fiel ihr der Geruch ein. »Seine Hände! Sie rochen nach kaltem Zigarettenqualm und noch etwas anderem. Ein unangenehmer, beißender Gestank, den ich nicht einordnen kann.«
    »Was ist mit dem Messer? Ist Ihnen daran etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Etwas an seinen Händen? Ein Ring? Eine Tätowierung?«
    »Nein. Ich hab nichts gesehen, nur gefühlt, aber – es waren zwei Messer, ein kurzes, breites, das er mir in die Seite drückte, und ein schmaler Dolch.« Ciara schluckte, kniff die Augen zusammen und drängte die Tränen zurück. Für einen Moment glaubte sie, die Spitze des Dolchs zwischen ihren Beinen zu spüren.
    »Dürfen wir Ihnen noch die Fingerabdrücke abnehmen? Wir brauchen sie, um sie von denen des Täters unterscheiden zu können.«
    Anstelle einer Antwort streckte Ciara der Beamtin zunächst die linke Hand entgegen. Erst danach zog sie die andere unter der Bettdecke hervor, die nach wie vor zur Faust geballt war. Nur mit Mühe gelang es ihr, die Finger zu entkrampfen, die Nägel hatten sich tief in die Handfläche gebohrt. Ciara achtete nicht darauf. Wieder hob sie den Blick zur Decke, während die Polizistin einen Abdruck der Fingerkuppen anfertigte; den Zeigefinger der linken Hand sparte sie bis zum Schluss auf, klemmte den Fühler rasch ab, nahm einen Abdruck und befestigte den Kapillarfühler erneut.
    »Es wird ein paar Tage dauern, bis die Farbe abgewaschen ist.« Sie kramte in ihrer Jackentasche herum, zog eine Visitenkarte hervor und legte sie auf den Nachttisch. »Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, rufen Sie mich bitte an. Alles Gute.«
    Nachdem die Polizistinnen das Zimmer verlassen hatten, kehrte Doktor Philis zurück. Leise drückte er die Tür ins Schloss.
    »Machen Sie mich von den Schläuchen ab, ich will nach Hause gehen.« Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meinte, doch der Arzt wollte wieder nicht auf sie eingehen.
    »Es ist besser, wenn Sie noch ein paar Tage hier bleiben. Sie haben viel Blut verloren und die Verletzung an ihrem Hals muss unter ärztlicher Kontrolle bleiben.«
    Über Ciaras Iris legte sich eine dunkle Wolke und verfinsterte ihren Blick. »Ich gehe nach Hause. Jetzt!«
    Der Arzt schaute weg und beobachtete das Frettchen. Es räkelte sich auf dem Kopfkissen in den Strahlen der tief stehenden Nachmittagssonne, die durchs Fenster fielen.
    »Dann bitte ich Sie, zumindest so lange zu bleiben, bis wir Ihre Eltern erreicht haben, damit sichergestellt ist, dass Sie abgeholt werden und versorgt sind.«
    Die Luft schien sich zu verdichten, legte sich über Ciaras Körper wie eine aus Blei gearbeitete Decke und hüllte sie in eine vorübergehende Starre. Lediglich der leise mechanische Piepton trieb die Zeit und das Leben voran. »Meinen Vater kenne ich nicht. Meine Mutter starb vor fünf Wochen.«
    Hörbar saugte der Arzt die Luft ein. Als er ausatmete, klang es wie: »Shit!«
    Vorsichtig richtete sich Ciara auf, wobei die dünne Decke hinunterrutschte und ein gelb-weiß gestreiftes Krankenhaushemd entblößte. Die Wirkung des Schmerzmittels schwand
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