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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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Denkschablonen zu halten. Sie missdeuteten Absichten und Potenzial unserer Feinde, verschätzten sich hinsichtlich der Stärke des Kommunismus und fällten Fehlurteile, als es um die Bedrohung durch den Terrorismus ging.
    Zu Zeiten des Kalten Krieges verfolgte die CIA vor allem das Ziel, durch Anwerbung von Spionen die Geheimnisse der Sowjets in ihren Besitz zu bringen, aber nicht ein Einziger unter den Angeworbenen hatte wirklichen Einblick in die Arbeit des Kremls. An zehn Fingern ließen sich die sowjetischen Spione abzählen, die entscheidende Informationen weitergeben konnten – und allesamt waren sie nicht angeworben, sondern Freiwillige. Alle kamen ums Leben, alle wurden von der Moskauer Führung festgenommen und hingerichtet. Unter den Präsidenten Reagan und George H. W. Bush wurden sie fast ausnahmslos verraten, und zwar von Leuten, die in der Sowjet-Abteilung der CIA zugleich für die andere Seite arbeiteten. In Reagans Amtszeit ließ sich die Agency auf verfehlte Missionen in der Dritten Welt ein; zur Finanzierung eines Krieges in Mittelamerika verkaufte sie Waffen an die iranischen Revolutionsgarden, wobei sie gegen die Gesetze verstieß und das letzte Vertrauen verspielte, das man noch in sie setzte. Und was viel schlimmer war: Sie bekam nicht mit, dass ihr Hauptfeind dem Ende nahe war.
    Den Blick auf die andere Seite überließ man Maschinen – nicht Menschen. Je mehr sich der Horizont der Spionagetechnologie ausweitete, umso kurzsichtiger wurde die CIA. Mit Hilfe der Spionagesatelliten konnte man die Waffen der Sowjets zählen. Aber die entscheidende Nachricht, dass der Kommunismus dabei war zu bröckeln, lieferten sie nicht. Selbst die führenden CIA-Experten sahen den Feind erst vor sich, nachdem der Kalte Krieg vorüber war. Als der Nachrichtendienst für Milliarden von Dollars Waffen nach Afghanistan schleuste, um den Kampf gegen die Besatzungstruppen der Roten Armee zu unterstützen, mussten die Sowjets einen hohen Blutzoll zahlen. Das war ein gigantischer Erfolg. Aber zu spät erkannte er, dass sich die von ihm unterstützten islamischen Kämpfer schon bald gegen die Vereinigten Staaten selbst wenden würden, und als diese Einsicht sich regte, versäumte es die Agency zu handeln. Das war ein gewaltiger Misserfolg.
    In den neunziger Jahren, unter Präsident Clinton, brach die einheitliche Zielsetzung, die die CIA während des Kalten Krieges zusammengehalten hatte, auseinander. Noch immer verfügte sie über Leute, die sich ernsthaft bemühten, die Welt zu begreifen, aber ihre Reihen waren viel zu sehr gelichtet. Noch immer gab es fähige Mitarbeiter, die sich im Auslandsdienst für die Vereinigten Staaten einsetzten, aber ihre Zahl war viel zu klein. Das FBI hatte mehr Agenten in New York als die CIA im ganzen Ausland. Am Ende des letzten Jahrhunderts war die Agency kein voll funktionsfähiger und unabhängiger Nachrichtendienst mehr. Sie wurde zu einer nachgeordneten Außenstelle des Pentagons, die nicht etwa über Strategien für den kommenden Kampf, sondern nur über Taktiken für nie stattfindende Gefechte nachdachte. Sie war außer Stande, das zweite Pearl Harbor zu verhindern.
    Nach den Anschlägen auf New York und Washington schickte die CIA ein erfahrenes Geheimagenten-Team nach Afghanistan und Pakistan mit dem Auftrag, die Anführer der Al Qaida zur Strecke zu bringen. Dann verstieß sie gegen ihren Auftrag, eine zuverlässige Quelle nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zu sein: Sie übergab dem Weißen Haus falsche Berichte über angeblich vorhandene Massenvernichtungswaffen im Irak. Die Tonne an Berichterstattung, die sie lieferte, besaß einen Informationswert von wenigen Gramm. Andererseits hat George W. Bush mit Unterstützung seiner Administration die von Vater Bush noch selbstbewusst geleitete CIA völlig zweckentfremdet, als er aus ihr im Auslandsdienst eine paramilitärische Polizeitruppe und in der Zentrale einen paralysierten Verwaltungsapparat machte. Nebenbei fällte er 2004 ein politisches Todesurteil über die Agency: Der Verlauf des Irakkrieges, so Bush damals, sei für sie ein bloßes »Ratespiel«. Keiner der bisherigen Präsidenten hat die CIA jemals in dieser Weise öffentlich abgekanzelt.
    Als 2005 das Amt des Director of Central Intelligence (DCI) – der nicht nur, wie der übliche Kurztitel CIA-Direktor suggeriert, Chef der Agency, sondern Chef aller US-Nachrichtendienste war – aufgelöst wurde, verlor die CIA ihre zentrale Stellung in der amerikanischen
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