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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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Überzeugung, »muss Nachrichtenbeschaffung weltweit und totalitär agieren.« Am 18.November 1944 schrieb er an Roosevelt und schlug ihm vor, die Vereinigten Staaten sollten einen »Central Intelligence Service«, einen zentralen Nachrichtendienst, für Friedenszeiten aufbauen. Schon ein Jahr zuvor hatte er diesen Plan skizziert, und zwar auf Betreiben von General Walter Bedell Smith, Stabschef unter General Dwight D. Eisenhower, der wissen wollte, auf welchem Wege das OSS zu einem Bestandteil des amerikanischen Militärapparates werden würde. Nun teilte Donovan dem Präsidenten mit, er sei in der Lage, nicht nur in Erfahrung zu bringen, »was andere Nationen können, wollen und tun«, sondern auch »subversive Auslandsoperationen« gegen die Feinde Amerikas durchzuführen. Das OSS hatte zu keinem Zeitpunkt mehr als 13 000 Mann umfasst und war damit kleiner als eine Heeresdivision. Der von Donovan anvisierte Dienst hingegen würde eine Armee für sich sein, eine Streitkraft, die mit viel Geschick gegen den Kommunismus kämpfen, Amerika gegen Angriffe schützen und das Weiße Haus mit Geheiminformationen versorgen konnte. Donovans dringende Bitte an den Präsidenten lautete, er möge »unverzüglich das Schiff auf Kiel legen«, wobei er selbst beabsichtigte, dessen Kapitän zu werden.
    Donovan trug den Spitznamen »Wild Bill« (nach einem schnellen, aber ungenau zielenden Baseball-Werfer, der von 1915 bis 1917 die New York Yankees führte) und war ein unerschrockener alter Soldat – der Kongress hatte ihm für seinen Einsatz auf den französischen Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges die Tapferkeitsmedaille verliehen –, doch leider ein unfähiger Politiker. Nur wenige Generäle und Admiräle vertrauten ihm. Sie waren entsetzt über seine Vorstellung, man könne mit einer bunt zusammengewürfelten Schar aus Börsenmaklern von der Wall Street, Eierköpfen von den Elitehochschulen, Glücksrittern, Werbetypen, Journalisten, Stuntmen, Fassadenkletterern und Hochstaplern eine Spionageorganisation auf die Beine stellen.
    Das OSS besaß zwar ein rein amerikanisches Analystenteam, aber was Donovan und seinen Topbeamten Allen W. Dulles vor allem faszinierte, waren Spionage und Sabotage, und darin waren die Amerikaner Amateure. Donovan war darauf angewiesen, dass der britische Nachrichtendienst seine Leute in beiden finsteren Künsten unterweisen würde. Die verwegensten – und legendärsten – Mitglieder des OSS waren die Fallschirmspringer, die hinter den feindlichen Linien absprangen, menschliche Geschütze auf zwei Beinen, die Brücken sprengten und gemeinsam mit den Widerstandsgruppen in Frankreich und den Balkanländern Anschläge auf die Nationalsozialisten verübten. Im letzten Kriegsjahr wollte Donovan, dessen Truppen in ganz Europa, Nordafrika und Asien operierten, seine Agenten sogar direkt über Deutschland absetzen. Er tat es, und sie kamen dabei um. Von den 21 Zweierteams, die nach Deutschland gingen, hat man nie wieder gehört – mit Ausnahme eines einzigen. Genau solche Missionen (mal gewagte, mal völlig abwegige) dachte sich General Donovan Tag für Tag neu aus.
    »Seine Fantasie kannte keine Grenzen«, so die Aussage von David K. E. Bruce, der damals seine rechte Hand war und später US-Botschafter in Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien wurde. »Er spielte mit Einfällen. Wenn er aufgeregt war, schnaubte er wie ein Rennpferd. Wehe dem Agenten, der ein Vorhaben ablehnte, weil es auf den ersten Blick lächerlich oder zumindest ungewöhnlich schien. Ein paar qualvolle Wochen lang habe ich unter seinem Kommando prüfen müssen, ob es möglich wäre, mit Hilfe von Fledermäusen, die man aus ihren Massenquartieren in den Höhlen des Westens holen wollte, Tokio zu zerstören« – indem man ihnen Brandbomben auf den Rücken schnallt und sie in der Luft aussetzt. Dies war der Geist, der im OSS herrschte.
    Roosevelt hat gegenüber Donovan immer seine Zweifel gehabt. Anfang 1945 beauftragte er Colonel Richard Park jr., den Chefmilitärberater des Weißen Hauses, mit der Durchführung einer Geheimstudie über die Kriegsoperationen des OSS. Kaum hatte Park mit seiner Arbeit begonnen, sickerten Nachrichten aus dem Weißen Haus in die Presse durch und machten Schlagzeilen in New York, Chicago und Washington, die davor warnten, Donovan wolle eine »amerikanische Gestapo« aufbauen. Angesichts solcher Meldungen drängte der Präsident Donovan, seine Pläne wieder in der Versenkung
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