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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten
Autoren: Anne Rice
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Lestats Stimme hörten oder ihre eigenen Abbilder sahen? Oder ihre Namen in geradezu hymnischen Liedern hörten?
    Nun, das würde er bald erfahren. Er würde ihnen die Videokassetten vorspielen. Und dabei würde er ihre starren, schimmernden Gesichter prüfend ansehen - ob da irgend etwas war, außer der bloßen Reflexion des Lichts.
    »Ach Marius, du gibst wohl nie auf, oder? Mit deinen verrückten Träumereien bist du kein Stück besser als Lestat.«
    Es war Mitternacht, als er zu Hause ankam.
    Er stemmte die Stahltür gegen das Schneetreiben, verschloß sie dann und blieb einen Moment ruhig stehen, um die Heizungswärme zu genießen. Der Schneesturm, durch den er sich hatte kämpfen müssen, hatte ihm Gesicht, Ohren und Hände aufgerissen. Die Wärme tat gut.
    Durch die Stille hörte er das vertraute Geräusch der riesigen Generatoren und die fernen elektronischen Impulse des Fernsehers in dem Schrein tief unter ihm. Sang da etwa Lestat? Ja. Kein Zweifel, die klagenden Schlußworte irgendeines Songs.
    Langsam zog er die Handschuhe aus. Er setzte seinen Hut ab und fuhr sich durchs Haar. Er untersuchte die große Eingangshalle und das daran anschließende Wohnzimmer nach Spuren ungebetener Besucher.
    Es war freilich so gut wie ausgeschlossen, daß jemand hiergewesen war. Er war Meilen vom nächsten Vorposten der modernen Welt entfernt inmitten einer riesigen, schneebedeckten Einöde. Aber aus Gewohnheit war er mißtrauisch. Es gab einige, die in diese Festung hätten eindringen können, wenn sie ihren Standort gekannt hätten.
    Alles war in Ordnung. Er stand vor dem gewaltigen Aquarium und beobachtete die Schwärme bunter Fische, wie sie an ihm vorbeitanzten, um dann unversehens die Richtung zu ändern. Der Seetang schwankte hin und her, ein Wald im einschläfernden Rhythmus der Sauerstoffzufuhr. Immer wieder war er gebannt von diesem monotonen Schauspiel ständiger Bewegung.
    Schließlich wandte er sich ab von dieser Welt reinerund zufälliger Schönheit.
    Ja, alles war hier in Ordnung.
    Es tat wohl, sich in den warmen Gemachern aufzuhalten. Die weichen Ledermöbel unverrückt auf dem dicken, burgunderfarbenen Teppich, das Holz im Kamin aufgeschichtet, die Bücher in den Regalen. Und dann sein Videorecorder, der nur auf Lestats Kassette wartete. Darauf hatte er jetzt Lust - sich beim Feuer niederlassen und nacheinander alle Clips ansehen. Deren Kunstfertigkeit verblüffte ihn genauso wie die Songs selbst, das Zusammenwirken von Altem und Neuem - wie Lestat die technischen Möglichkeiten des Mediums genutzt hatte, um sich als Rocksänger zu verkleiden und gleichzeitig den Eindruck einer Gottheit zu erwecken.
    Er entledigte sich seines langen grauen Mantels und warf ihn auf den Sessel. Warum bereitete ihm die ganze Angelegenheit so unerwartetes Vergnügen? Gelüstete es sie alle nach Blasphemie, reizte es sie, den Göttern die geballte Faust zu zeigen? Vielleicht. Er, der wohlerzogene Knabe, hatte vor Jahrhunderten im alten Rom stets über die Streiche der bösen Kinder gelacht.
    Am besten war es freilich, zunächst einmal kurz zum Schrein zu gehen, um nach dem Rechten zu sehen, um den Fernseher und die Heizung zu überprüfen, um neuen Weihrauch auf den Rost zu legen. Inzwischen kostete es keinerlei Mühe mehr, Akascha und Enkil ein Paradies zu bereiten mit den Gewächshauslampen, deren fahles Licht Blumen und Bäume mit allen Nährstoffen der Sonne versorgte. Nur der Weihrauch mußte noch immer per Hand erneuert werden.
    Es war auch höchste Zeit, ein weiches Tuch zu ergreifen und die Eltern vorsichtig und mit gebotener Ehrfurcht abzustauben - ihre steifen, reglosen Körper, sogar ihre Lippen und Augen, ihre kalten, starren Augen. Einen geschlagenen Monat hatte er das nicht mehr getan. Die reinste Schande.
    Habt ihr mich vermißt, Akascha und Enkil, meine Geliebtem
    Das alte Spiel. Wie immer sagte ihm sein Verstand, daß es ihnen völlig gleichgültig war, ob er kam oder ging. Aber sein Hochmut gaukelte ihm immer wieder etwas anderes vor. Empfindet der Wahnsinnige in der Irrenhauszelle nichts für den Sklaven, der ihm Wasser bringt? Vielleicht war das kein guter Vergleich. Sicher kein freundlicher.
    Ja, sie hatten sich für Lestat bewegt, den flegelhaften Prinzen, stimmt schon - Akascha, um ihm das Urblut darzureichen, und Enkil, um Rache zu üben. Und hatte das nicht den endgültigen Beweis geliefert, daß sie beide noch beseelt waren? Sicher, nur ein winziger Funke war damals kurz in ihnen aufgelodert; es hatte
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