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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir
Autoren: Anne Rice
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nur leise vor sich hin: ›Ich sterbe.‹ Und ich, der ihn ansah, ihn hörte, das einzige Wesen unter Gottes Himmel, das ihn hörte und wußte, daß er recht hatte, ich sagte nichts.
    Ein langer Seufzer entrang sich seinen Lippen. Sein Kopf war immer noch gebeugt, die rechte Hand lag schlaff neben ihm im Gras. ›Haß… das ist Leidenschaft, sagt e er, ›Rache ist Leidenschaft…‹
    ›Nicht meine‹, murmelte ich, ›jetzt nicht mehr‹
    Er sagte: »Ich hatte gedacht, du würdest es bewältigen, es würde, wenn der Schmerz darüber dich verlassen hat, dich wieder die Liebe erfüllen, die Liebe und jene wilde und unersättliche Neugier, mit der du zuerst zu mir kamst, der Wissensdurst, den du in meine Klause getragen hast. Ich dachte, es sei ein Teil von dir, der nicht sterben kann. Und ich dachte, wenn der Schmerz vorüber ist, würdest du mir verzeihen für die Rolle, die ich bei ihrem Tod gespielt habe. Sie hat dich nie geliebt, das weißt du, nicht so, wie ich dich geliebt habe und wie du uns beide geliebt hast. Ich wußte es und habe es verstanden. Und ich glaubte, ich würde dich an mich ziehen und halten können, glaubte, wir könnten einander Lehrer sein. Alles, was dich beglückte, hätte mich beglückt; meine Macht wäre deine Macht gewesen, meine Stärke deine Stärke. Aber du bist innerlich tot für mich, bist kalt, und ich kann dich nicht erreichen. Es ist, als ob ich hier nicht neben dir stünde. Und da ich hier nicht bei dir bin, habe ich das furchtbare Gefühl, überhaupt nicht zu existieren. Und du bist so kalt und ungreifbar für mich wie diese sonderbaren modernen Bilder aus strengen Linien und kalten Formen, die ich nicht liebe und verstehe, so fremd wie die harten abstrakten Skulpturen, die nichts Menschenähnliches mehr haben. Mich fröstelt in deiner Nähe. Ich schaue dir in die Augen und sehe mich nicht gespiegelt…‹
    ›Was du verlangt hast, war unmögliche sagte ich schnell. ›Siehst du es nicht ein? Und was ich verlangt habe, war ebenso unmöglich, von Anfang an.‹
    Er wollte Einspruch erheben, doch die Antwort erstarb auf seinen Lippen, und er bewegte nur abwehrend die Hand.
    Und ich fuhr fort: ›Ich wollte Liebe und Güte im Vergänglichen, im lebenden Tod. Es war hoffnungslos von Anbeginn, weil man nicht Liebe und Güte haben kann, wenn man tut, was man als böse kennt. Dann hat man nur die verzweifelte Verwirrung und Sehnsucht und die Jagd nach dem Phantom der scheinbaren Güte in seiner menschlichen Form. Ich wußte das Ergebnis meines Suchens schon, ehe ich nach Paris kam; ich hatte es gewußt, als ich zum ersten Mal ein menschliches Leben nahm, um meinen Hunger zu stillen. Es war mein Tod. Und doch wollte ich, konnte ich es nicht hinnehmen, weil ich, wie alle Kreaturen, nicht sterben will. Und so suchte ich andere Vamp ire, suchte Gott, den Teufel und hundert Dinge unter hundert Namen. Und alles war das gleiche, alles war böse. Und alles war falsch. Denn niemand, in welcher Gestalt auch immer, konnte mich davon überzeugen, was ich doch selber nur zu gut wußte, daß ich in meinem eigenen Herzen, in meiner eigenen Seele verdammt war. Und als ich nach Paris kam, dachte ich, du seist schön und mächtig und unbekümmert - alles, was ich mit dem Mut der Verzweiflung auch sein wollte. Doch du warst nur ein Vernichter, wie ich es war, nur noch geschickter und erbarmungsloser. Du zeigtest mir das einzige, was zu werden ich wirklich hoffen konnte, welche Tiefe des Bösen, welchen Grad von Kälte ich erreichen mußte, um meiner Qual ein Ende zu machen. Ich habe es gutgeheißen, und so wurde die Leidenschaft, die Liebe, die du in mir sahst, ausgelöscht. Und nun siehst du einfach den Spiegel deiner selbst.‹
    Es verging eine lange Zeit, bevor Armand wieder sprach. Er hatte sich erhoben, mir den Rücken zugekehrt, und blickte zum Fluß hinunter. Und ich dachte ruhig: Es gibt nichts mehr, was ich sagen kann, nichts mehr, was ich tun kann.
    Er sagte: ›Louis - hast du noch irgendeinen Wunsch? Möchtest du noch etwas von mir?‹
    ›Nein‹, sagte ich. ›Was meinst du?‹
    Er gab keine Antwort. Langsam ging er davon. Zuerst dachte ich, er wolle nur ein paar Schritte hinunter zum Flußufer gehen und würde zurückkommen; und als mir bewußt wurde, daß er mich verließ, war er nur noch ein kleiner Fleck vor dem flimmernden Wasser unter dem Mondschein. Ich habe ihn nie wiedergesehen.
    Natürlich ist mir erst einige Nächte später klargeworden, daß Armand endgültig fort war. Sein
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