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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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aber als Wolf die Führung übernahm, wirkte er entschlossen und furchtlos. Torak stapfte mit dampfendem Atem hinter ihm her. Es war sehr kalt, doch dank Vednas Nähkünsten konnte ihm die Kälte nichts anhaben. Während er schlief, hatte sie die neuen Sachen in seine Hütte gelegt: ein Unterwams aus Entenbalg, dessen weiche Brustfedern sich an seine Haut schmiegten; eine Kapuzenjacke und Beinkleider aus warmem Rentierwinterfell; Hasenfellhandschuhe, die an einem durch die Ärmel gezogenen Riemen hingen. Außerdem hatte sie seine alten Stiefel geschickt mit widerstandsfähigem Leder vom Rentierbein ausgebessert, sie mit Baummarderpelz gesäumt und an den Rand der Sohlen Streifen aus Schlammfischhaut genäht, was für besseren Halt im Schnee sorgte.
    Vedna hatte sogar das Clanabzeichen von seinem alten Wams abgetrennt und auf die neue Jacke genäht. Der Streifen Wolfsfell war schmutzig und zerrissen, zählte aber trotzdem zu Toraks wertvollsten Besitztümern. Fa hatte ihn damals angefertigt.
    Wolf schlug sich in die Büsche und Torak war sofort hellwach. Eine Eichhörnchenspur … wie von winzigen Händen. Torak folgte der Fährte, die kreuz und quer durch die schneebedeckten Wacholderbüsche führte und dann in aufgeschreckte, lange Sprünge überging, die am Stamm einer Fichte endeten.
    Torak streifte die Kapuze ab und blickte sich um.
    Es war totenstill. Was immer das Eichhörnchen erschreckt haben mochte, war weitergezogen, aber Torak machte sich Vorwürfe, dass nicht er die Fährte entdeckt hatte. Bleib wachsam.
    Ein Eichelhäher folgte ihnen von Baum zu Baum. Die Sonne stieg immer höher am wolkenlosen Himmel. Schon bald watete Torak keuchend durch knietiefen, blendend weißen Neuschnee. Er hatte sich gegen Schneeschuhe entschieden. Darin hätte er zwar bequemer gehen können, wenn er sich aber schnell bewegen musste, wären sie ihm nur hinderlich.
    Wolf hatte es da einfacher, denn seine schmale Brust teilte den Schnee wie ein Kanu das Wasser. Doch am späten Vormittag wurde sogar er müde. Es ging beständig bergauf, genau wie Krukoslik gesagt hatte.
    »Mein Großvater war dem Berg schon einmal ganz nah«, hatte er erklärt, als ihn Torak in der Nacht geweckt hatte. »So nah, dass er ihn spüren konnte. Von hier aus musst du dem Bach nach Norden folgen. Danach geht es immer bergauf, bis du den Schatten der Hohen Berge erreichst. Gegen Mittag kommst du dann an eine vom Blitz getroffene Fichte an der Mündung einer Klamm. Die Felswände sind zu steil, um hinaufzuklettern, aber westlich davon gibt es einen Pfad…«
    »Was ist das für ein Pfad?«, hatte Torak gefragt. »Wer hat ihn angelegt?«
    »Das weiß niemand. Folge ihm einfach. Der Blitzbaum … er ist mächtig. Er beschützt den Pfad vor allem Unheil. Vielleicht beschützt er auch dich.«
    »Und dann? Wohin soll ich dann gehen?«
    »Du folgst immer dem Pfad. Irgendwo hinter der Klamm ist der Berg.«
    »Wie weit ist es bis dorthin?«
    »Auch das weiß niemand. Mein Großvater kam nicht weit, bis ihm der Geist den Weg versperrte. So ist es bis jetzt allen ergangen. Vielleicht…. vielleicht ist es ja bei dir anders.«
    Vielleicht, dachte Torak und stapfte weiter.
    Wenn sein Plan aufging, wenn der Weltgeist seine Bitte erhörte, würde der Bär vernichtet, und der Wald war gerettet. Wenn nicht, war alles aus. Das betraf den Wald so gut wie ihn selbst.
    Wolf hob den Kopf und schnüffelte. Seine Nackenhaare waren gesträubt. Was hatte er gewittert?
    Einige Schritt weiter war der Schnee ungefähr in Schulterhöhe von den Astspitzen gestreift. Dann entdeckte Torak einen angeknabberten Wacholderschössling. »Rotwild«, sagte er halblaut.
    Die Fährten bestätigten seine Vermutung. Allem Anschein nach hatte es sich um ein einzelnes Tier gehandelt, wahrscheinlich einen Bock. Böcke heben die Füße nicht so hoch wie Kühe und der Schnee wies Schleifspuren auf.
    Aber warum stellte Wolf das Fell auf, wenn es sich um einen harmlosen Hirsch handelte?
    Torak sah auf. Er spürte, wie der Wald den Atem anhielt.
    Die Bärenspuren sprangen ihn förmlich an.
    Er hatte sie nicht früher gesehen, weil sie so weit auseinander lagen, aber jetzt erkannte er deutlich, dass der Bock in wilder Flucht den Hang hinuntergehetzt war, dicht gefolgt von dem Bären. Dessen weite Sprünge waren Furcht erregend.
    Torak zwang sich zur Ruhe und untersuchte die Fährte genauer. Der Bär war in gestrecktem Galopp gerannt, denn die länglichen Abdrücke der Hinterpfoten befanden sich vor den
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