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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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dabei an den scharfen Feuersteinspitzen. Dann schulterte er Köcher und Bogen und suchte in den Resten der Hütte nach seiner kleinen Axt aus schwarzem Basalt. Seine aus Haselnussruten geflochtene Rückentrage war beim Angriff des Bären kaputtgegangen. Er musste die Sachen in sein Wams stecken oder an seinen Gürtel binden.
    Dann zog er seinen Schlafsack aus Rentierfell zu sich heran.
    »Nimm meinen«, sagte sein Vater leise. »Du hast deinen … immer noch nicht geflickt. Und tausch … mit mir das Messer.«
    Torak war entsetzt. »Ich will dein Messer nicht! Du brauchst es doch noch!«
    »Du brauchst es nötiger. Und es gefällt mir, etwas von dir mit auf die … Todesreise zu nehmen.«
    »Bitte, Fa! Du darfst nicht …«
    Ein Zweig knackte.
    Torak fuhr herum.
    Die Dunkelheit war undurchdringlich. Alle Schatten sahen aus wie Bären.
    Kein Wind.
    Kein Vogelgezwitscher.
    Nur das knisternde Feuer und sein hämmernder Puls. Der ganze Wald hielt den Atem an.
    Sein Vater leckte sich den Schweiß von den Lippen. »Noch ist er nicht da. Aber bald. Bald kommt er mich holen… Rasch. Die Messer.«
    Torak wollte nicht mit seinem Vater das Messer tauschen. Das hatte so etwas Endgültiges. Aber der Vater sah ihn mit einem Blick an, der keinen Widerspruch duldete.
    Torak biss die Zähne so fest zusammen, dass es wehtat, holte sein Messer heraus und gab es seinem Vater in die Hand. Dann band er die Lederscheide von seines Vaters Gürtel los. Fas Waffe war schön und tödlich, die Klinge aus gebändertem blauem Schiefer war wie ein Weidenblatt geformt, und das Heft aus Hirschgeweih war mit Elchsehnen umwickelt, damit man nicht abrutschte. Als Torak es betrachtete, traf ihn die Wahrheit wie ein Faustschlag – er bereitete sich darauf vor, ohne Fa zurechtzukommen. »Ich lass dich nicht allein!«, rief er. »Ich kämpfe mit ihm. Ich …«
    »Nein! Mit diesem Bären wird niemand fertig!«
    Raben flatterten auf.
    Torak hielt unwillkürlich den Atem an.
    »Hör zu«, keuchte sein Vater. »Du weißt, dass Bären … alle Bären … die stärksten Jäger im ganzen Wald sind. Aber dieser Bär … ist noch viel stärker.«
    Torak lief es kalt den Rücken herunter. Er schaute seinem Vater in die Augen, sah die roten Äderchen und die unergründlichen schwarzen Pupillen. »Wie meinst du das?«, flüsterte er. »Was …«
    »Er ist… besessen.« Fas Gesicht war so verzerrt, dass es kaum wiederzuerkennen war. »Ein… Dämon … aus der Anderen Welt… ist in ihn gefahren und macht ihn so böse.«
    Die Glut knisterte. Die Bäume beugten sich lauschend vor.
    »Ein Dämon ?«, wiederholte Torak.
    Sein Vater schloss die Augen und sammelte neue Kraft. »Er lebt nur, um zu töten«, brachte er schließlich heraus. »Je öfter er tötet … desto stärker wird er. Er vernichtet… alles. Das Wild. Die Sippen. Alle müssen sterben. Der ganze Wald muss sterben …«, er brach ab. »Nur noch ein Mond … dann ist es zu spät. Dann ist der Dämon … zu mächtig.«
    »Ein Mond? Aber was …«
    »Denk nach, Torak! Du weißt, wenn das rote Auge am höchsten steht, sind die Dämonen am mächtigsten. Dann ist der Bär … unbesiegbar.« Er rang nach Luft. Im Schein der Glut sah Torak die große Ader an seinem Hals. Sie pochte immer schwächer. »Du musst … mir etwas versprechen«, keuchte Fa.
    »Alles, was du willst.«
    Fa schluckte. »Geh nach Norden. Viele Tagesmärsche. Suche … den Berg… des Weltgeistes.«
    Torak sah seinen Vater entsetzt an. Was soll ich?
    Der Vater öffnete die Augen und schaute in das Blätterdach über seinem Kopf, als erblickte er dort etwas, das nur er sah. »Such ihn«, wiederholte er. »Es ist unsere einzige Hoffnung.«
    »Aber… niemand weiß, wo der Berg ist. Niemand hat ihn je gefunden.«
    »Du findest ihn.«
    »Wie soll ich ihn finden? Ich weiß doch nicht…«
    »Dein Gefährte … zeigt dir den Weg.«
    Torak war verwirrt. So hatte sein Vater noch nie gesprochen. Er war ein nüchterner Mann, ein Jäger. »Ich verstehe kein Wort!«, rief er aus. »Was für ein Gefährte? Warum muss ich den Berg suchen? Weil ich dort in Sicherheit bin? Vor dem Bären? Ist das der Grund?«
    Langsam wandte Fa den Blick, bis er seinem Sohn ins Gesicht sah. Er schien zu überlegen, wie viel Torak verkraften konnte. »Du bist… zu jung«, seufzte er. »Ich dachte, mir bliebe mehr Zeit. Es gibt so vieles, was ich dir noch nicht erklärt habe. Bitte … bitte hasse mich nicht eines Tages deswegen.«
    Torak starrte ihn
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