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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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konnte.
    Tenris wollte hinterher – und jetzt erblickte er den Jäger. Er griff nach seinem Tarnamulett, doch das war nicht mehr da. Er sah, dass Torak das Amulett in der Hand hielt, und langte danach. Torak wich aus und schleuderte das Amulett weit von sich. Tenris stieß ein Wutgebrüll aus und schwamm hinterher – doch das Amulett war schon untergegangen.
    Jetzt waren sie beide dem Jäger auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Kerbfinne stieß eine hohe Gischtfontäne aus und kam auf sie zu. Torak sah aus dem Augenwinkel ein Boot angerudert kommen, aber es war noch viel zu weit weg …
    Schon schob sich der massige Rücken des Jägers vor Meer, Himmel und Boot. Torak sah den riesigen, stumpfnasigen Kopf durchs grüne Wasser gleiten …
    Dicht vor ihm machte der Jäger kehrt, bespritzte ihn mit Gischt und hielt auf Tenris zu.
    Das entstellte Gesicht hatte einen seltsam gelassenen Ausdruck, als der Seelenesser seinem Verhängnis entgegensah.
    Im letzten Augenblick wandte er den Kopf und suchte Toraks Blick. »Frag Fin-Kedinn nach deinem Vater!«, rief er. »Lass dir erzählen, was sich in Wahrheit zugetragen hat…«
    Er verschwand in einem silbrigen Strudel.
    Ein letzter, gellender Schrei, der jäh verstummte… als der gewaltige Rachen zuschnappte und den Seelenesser in die Tiefe zog.

Kapitel 34

    ALS DAS BOOT ans Ufer glitt, war das Feuer auf der Klippe heruntergebrannt, nur grauer Rauch stieg noch empor.
    Bale hob sein Boot auf den Kopf und brachte es wieder zu seinem Gestell. Torak und Renn blieben einen Augenblick im flachen Wasser stehen, dann wateten sie stumm an Land und stapften zur nächsten Hütte.
    Renn wischte die Wasserspritzer von ihrem Bogen und hängte ihn an einen Balken, dann verschwand sie in der Hütte, um nach etwas Essbarem zu suchen.
    Torak holte Treibholz von einem großen Stapel und erweckte ein Feuer zum Leben. Er war durchgefroren und wacklig auf den Beinen, aber immerhin hatte ihm das Meer die Zeichen von der Brust gewaschen. Bis die schlimmen Erinnerungen verblasst waren, würde es allerdings länger dauern.
    Er hätte seiner Freundin gern erzählt, was er auf der Klippe erlebt hatte und dass er ein Seelenwanderer war, aber er hatte es selbst noch nicht richtig verkraftet. Darum beschränkte er sich auf: »Tut mir Leid. Ich habe tatsächlich geglaubt, du wärst krank. Du hast auch so ausgesehen.«
    Renn kam mit einer vollen Schüssel zurück, stellte sie ab und hockte sich auf den Boden. »Tja, und ich habe geglaubt, du wärst tot. Da haben wir uns wohl beide geirrt.« Sie schob ihm die Schüssel hin. »Hier, ich habe ein bisschen Walfleisch aufgetrieben. Wacholderbeeren gab’s leider keine, aber es schmeckt auch so.«
    Beide betrachteten die Schüssel, aber keiner griff zu.
    »Renn«, sagte Torak schließlich, »es gibt keinen Heiltrank. Das mit der Selikwurzel hat Tenris bloß erfunden.«
    Renn schlang stirnrunzelnd die Arme um die Knie.
    »Hast du gehört?«, vergewisserte sich Torak. »Es gibt keinen Heiltrank.«
    Renns Gesicht hellte sich unvermittelt auf. Sie setzte sich aufrecht hin und sah erst Torak und dann die Fleischschüssel mit aufgerissenen Augen an. »Die Wacholderbeeren!«
    »Was?«
    »Als ich in der Höhle eingesperrt war, hat mir Bale etwas zu essen gebracht, aber Wolf hat mich angesprungen und die Schüssel ist ausgekippt. Ich dachte, Wolf wäre verrückt geworden. Im Gegenteil – er hat mir das Leben gerettet! Er wollte verhindern, dass ich von den Wacholderbeeren esse!«
    Sie sprang auf und lief aufgeregt hin und her. »Daher kommt nämlich die Krankheit! Der Robbenschamane hat seinen Tokoroth befohlen, die Beeren zu vergiften! Seine Leute haben die Beeren zu Lachsfladen verarbeitet und sind krank geworden.« Sie machte eine Pause. »Darum hat mich Wolf am Essen gehindert, weil das Zeug vergiftet war. Darum … darum bin ich auch vorher nicht krank geworden. Ich habe zwar Lachsfladen gegessen, aber ich hatte welche aus Saeunns Vorrat stibitzt, und der stammt noch aus dem letzten Sommer…«
    »… und darum bin ich auch nicht krank geworden«, ergänzte Torak, »weil ich nämlich gar keine Lachsfladen eingesteckt habe, als ich losgezogen bin.«
    Sie sahen einander staunend an.
    »Das würde ja heißen, wenn die Leute keine Wacholderbeeren mehr essen und auch keine Lachsfladen …«
    »… werden sie vielleicht von selber wieder gesund …«
    »… und brauchen gar keinen Heiltrank!«
    Das musste des Rätsels Lösung sein, davon war Torak überzeugt. So
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