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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis
Autoren: Christopher Ross
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Haus und schlich auf der Außentreppe nach unten. Bis auf das schwache Licht, das von den Lampen an der Hauptstraße ausging, war es dunkel, und wegen der dichten Wolken waren auch der Mond und die Sterne nicht zu sehen. Vom Meer wehte kühler Wind herüber. Das ferne Tuten eines nahenden Dampfschiffes hallte als dumpfes Echo über die Stadt.
    Im ersten Stock, direkt neben ihr, flammte eine Lampe auf. Sie lief rasch weiter. Mit der Tasche in der Hand schlich sie die restlichen Stufen zum Garten hinunter und lief durch die Büsche aufs Nachbargrundstück. Die Villa gehörte einem Richter, der wegen seiner strengen Urteile gefürchtet war, das hatte sie von Betsy erfahren, die sich besser als jeder andere in Vancouver auszukennen schien und bestens über den Klatsch und Tratsch informiert war. Clarissa lief geduckt an der Villa vorbei, überquerte die Straße und blieb zwischen den Büschen eines benachbarten Grundstückes stehen. Ein kleineres Haus, deren Besitzer sie nicht kannte. Sie blickte zurück und sah, dass mehrere Fenster im Haus der Whittlers erleuchtet waren, sie glaubte auch zu beobachten, wie ein Mann über die Außentreppe nach unten stieg, wahrscheinlich Frank.
    Sie hatte keine Ahnung, wohin sie sich wenden sollte, und rannte ziellos weiter, über die Straße in den Schatten eines Hauses. Ein Hund bellte nervös, er klang nicht gefährlich, war aber laut genug, um die Aufmerksamkeit ihres Verfolgers zu wecken. Sie spähte in die Dunkelheit und sah Frank, denn nur er konnte es sein, auf der Außentreppe verharren und in ihre Richtung blicken. In dem Haus, in dessen Schatten sie sich versteckt hatte, ging ein Licht an, und eine weibliche Stimme rief: »Was ist los mit dir, Rusty? Sag bloß, da draußen treiben sich wieder diese aufdringlichen Katzen herum!«
    Clarissa schlich geduckt davon und rannte an den Nachbarhäusern entlang nach Osten; sie hielt sich im Schatten der vielen Bäume, die immer noch im West End wuchsen und der Gegend einen fast ländlichen Charakter gaben. Der Boden war morastig vom vielen Regen, und sie war alle paar Schritte gezwungen, einer Pfütze auszuweichen. Über einige unbebaute Grundstücke, die sich wie ein Park zwischen den Villen ausbreiteten, erreichte sie die breite Robson Street, tagsüber eine belebte Geschäftsstraße und um diese Nachtzeit genauso vereinsamt wie alle anderen Straßen in Vancouver. Nicht einmal eine Straßenbahn ließ sich blicken. Die Schienen schimmerten blass im düsteren Licht der Lampen, die erst seit einigen Monaten die Straße säumten. Die Mitglieder des Stadtrats waren so stolz auf ihre neue Errungenschaft und das große Elektrizitätswerk, dass sie die Straßenlampen die ganze Nacht brennen ließen.
    Schon nach wenigen Schritten merkte Clarissa, dass sie einen großen Fehler begangen hatte. Einer der beiden Polizisten, die nachts ihren Dienst in der Stadt versahen, patrouillierte auf der Robson Street. Er tauchte so plötzlich aus einem der dunklen Hauseingänge auf, dass sie erschrocken zusammenfuhr.
    »Ich wollte Sie nicht erschrecken, Miss«, entschuldigte er sich. Er war nicht viel älter als sie und hatte die Schirmmütze seiner blauen Uniform so weit in die Stirn gezogen, dass man kaum seine Augen sah. Das Abzeichen auf seiner Brust glitzerte. »Darf ich fragen, wohin Sie um diese Zeit unterwegs sind? Wir hatten in letzter Zeit einigen Ärger mit einer Jugendbande, und ich halte es für keine gute Idee, nachts um zwei spazieren zu gehen. Eine junge Dame wie Sie sollte sich überhaupt nicht allein in der Stadt aufhalten.«
    Clarissa hatte sich schon wieder gefangen und versuchte ein Lächeln. »Ich weiß, Officer, und glauben Sie mir, ich bin um diese Zeit bestimmt nicht freiwillig auf der Straße. Ich will zu meiner Tante. Sie ist sehr krank und braucht jemanden, der sich Tag und Nacht um sie kümmert. Sie ist lieber allein und will wohl nicht, dass sie jemand leiden sieht. Gestern Abend hat sie mich sogar aus dem Haus gejagt. Aber ich mache mir Sorgen, Officer, und weil ich sowieso nicht schlafen kann, dachte ich … Ich muss zu ihr, Officer.«
    Die Ausrede war etwas weit hergeholt, überzeugte den Polizisten aber und entlockte ihm sogar ein verständnisvolles Lächeln. »Wie meine Großmutter«, erwiderte er, »die will auch keinen an sich ranlassen, obwohl sie sich kaum noch selbst waschen und anziehen kann. Zu manchen Dingen muss man die Alten zwingen, sagt meine Mutter, die ist auch ständig für sie unterwegs.« Ihm fiel wohl
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