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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis
Autoren: Christopher Ross
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du es ja darauf an! Du magst es auf die harte Tour, was? Das kannst du haben!«
    Seine derbe Sprache riss sie aus ihrer Erstarrung. Noch bevor er aus seiner Hose gestiegen war und nach ihr griff, hatte sie die Decke zurückgeschlagen und stieß mit beiden Beinen nach ihm, dabei erwischte sie ihn am linken Schienbein.
    Er stöhnte vor Schmerz und taumelte zurück. »Was fällt dir ein, du Miststück? Du hältst dich wohl für was Besseres!« Er rieb sich das schmerzende Schienbein und ging erneut auf sie zu. In seinen Augen blitzte wilde Entschlossenheit. »Na, warte … Dir werde ich’s zeigen! Ich werde es dir so hart besorgen, dass du den Rest des Jahres an mich denkst. Und glaube bloß nicht, dass du mich bei Catherine oder meinen Eltern anschwärzen könntest. Die würden dir sowieso nicht glauben. Also benimm dich gefälligst wie eine Frau, oder ich sorge dafür, dass du wegen Diebstahls im Knast landest! Kapiert?«
    In ihrer Panik stieß Clarissa wieder zu. Sie traf sein rechtes Knie und brachte ihn erneut aus dem Gleichgewicht, verschaffte sich etwas Raum, als er nach einem Halt suchte und fluchend ins Leere griff. Ohne ihm nachzusetzen, sprang sie aus dem Bett, wollte an ihm vorbei aus dem Zimmer fliehen und spürte plötzlich, wie sich seine rechte Hand um ihren linken Oberarm schloss und sie herumriss. Das wutverzerrte Gesicht des Eindringlings vor Augen, drosch sie mit der freien Hand auf ihn ein und traf seine Nase so heftig, dass sie zu bluten begann. Für einen Moment verlor er die Fassung.
    Mit beiden Händen stieß sie ihn wütend von sich. Er war viel zu überrascht, um sich zu wehren, stolperte rückwärts durch den Raum, prallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand und rutschte benommen zu Boden.

3
    Clarissa blieb keuchend stehen und massierte ihre schmerzenden Finger. Bittere Tränen der Wut und Verzweiflung füllten ihre Augen. Sie hatte noch nie einen Menschen geschlagen, und der Anblick des blutverschmierten Mannes verstörte sie so sehr, dass sie ihn lange betrachtete und für einen Augenblick sogar versucht schien, ihm ein Taschentuch zu reichen und ihm aufzuhelfen.
    Erst sein leises Stöhnen und ein dumpfes Knarren, das aus dem ersten Stock zu kommen schien, ließ sie den Ernst der Lage erkennen. Sie hatte nicht mehr viel Zeit. Sobald Frank Whittler zu sich kam, würde er alles daransetzen, sie festzuhalten und der Polizei zu übergeben. Er würde sie des Diebstahls beschuldigen und vielleicht sogar seine Brieftasche in ihrem Zimmer verstecken, um einen scheinbar eindeutigen Beweis zu haben. Niemand würde ihr glauben, und wenn sie zehn Mal auf die Bibel schwor, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Als einfaches Dienstmädchen hatte sie gegen eine der angesehensten Familien der Stadt nicht die geringste Chance.
    Ihr blieb nur die Flucht. Sie musste so schnell wie möglich hier weg, bevor die anderen aufwachten und die Treppe heraufkamen. Sie lauschte noch einmal, hörte wieder ein Knarren, als würde sich jemand im Bett aufsetzen, nur übertönt vom regelmäßigen Schnarchen der Köchin, die sich an den Resten in den Champagnerflaschen vergriffen hatte und tiefer als sonst schlief. Clarissa ließ sich nicht täuschen. Wenn die Whittlers etwas gehört hatten, konnte Thomas Whittler jeden Augenblick aus seinem Schlafzimmer kommen, um nach dem Rechten zu sehen, und dann blieben ihr nur noch wenige Sekunden.
    Sie zog ihren Mantel an und band die Haare zu einem Knoten, steckte ihren Hut mit zwei Nadeln daran fest. Ihre wenige Habe, die Kleider, ihre guten Schuhe, ihren Kamm und ein paar andere Kleinigkeiten, eine Fotografie ihrer Eltern, die sie ein Jahr vor dem Tod ihres Vaters auf einem Jahrmarkt hatten anfertigen lassen, und das Tom-Sawyer-Buch packte sie in ihre Reisetasche. Den Lederbeutel mit dem gesparten Geld verstaute sie in ihrer Manteltasche. Ein rascher Blick in den Spiegel überzeugte sie davon, wie eine normale Reisende und nicht wie nervöses Dienstmädchen auf der Flucht auszusehen, sogar ihre Haare saßen einigermaßen. Nur das unruhige Flackern musste sie aus ihren Augen verschwinden lassen, falls sie sich unangenehme Fragen ersparen wollte.
    Sie wollte gerade zur Tür gehen, als Frank Whittler sich stöhnend regte und einen heiseren Laut ausstieß. Gleich darauf ging im ersten Stock eine Tür auf, und Catherine rief verschlafen: »Frank! Frank! Bist du hier irgendwo?«
    Clarissa erkannte, dass ihr keine Zeit mehr blieb. Über den Dienstboteneingang verließ sie das
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