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Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)

Titel: Chiemsee Blues: Hattinger und die kalte Hand (German Edition)
Autoren: Thomas Bogenberger
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für langjähriges Spielen eines Saiteninstruments, z. B. Violine, Viola etc., aber auch Gitarre wäre denkbar ... und sie war vermutlich Rechtshänderin – klar, sonst wär’s ja um’kehrt. Aus dem Gesamtzustand der Hände lässt sich schließen, dass die Frau keine schwere oder einseitig belastende manuelle Arbeit ausgeführt hat, zumindest nicht im Zeitraum der letzten Jahre ... Des war’s im Wesentlichen.“
    „Tiefgefroren!“ Andrea Erhard schauderte.
    „Dann könnte die Frau ja auch schon längere Zeit tot sein: Der Mörder friert ihre Hände ein, und dann holt er sie vielleicht Monate später wieder heraus, um sie öffentlich abzulegen. Aber warum macht er das?“, fragte sich Wildmann.
    Hattinger sah aus dem Fenster. Ein stetig größer werdender Pressepulk wartete draußen schon auf Neuigkeiten. Auch ein Wagen der Bildzeitung stand auf dem Hof. Die Geier sind schon da, dachte er.
    „Offensichtlich will er, dass sie gfundn wern. Wenn er s ’ nur loswerdn wollen hätt, dann hätt er s ’ garantiert anders entsorgt. Des heißt, er will irgendwas sagen, irgendwas bezwecken damit ...“
    „Und wenn er jetz no die ganze Kühltruhe voll hat?“, fragte sich Andrea Erhard. Trotz der Wärme im Raum bekam sie eine Gänsehaut.
    „I glaub, des wern ma bald erfahrn, Frau Kollegin. Oder ah ned ...“
    Die Tür ging wieder auf und ein Polizist steckte seinen Kopf herein. „Die Presse wartet schon auf Sie, Herr Kommissar.“
    „I komm glei!“
    Hattinger wendete sich wieder Andrea Erhard und Wildmann zu. „I woaß gar net, was i dene groß sagn kannt ... Aber dann machma halt an Zeugenaufruf – ob jemand was gsehn hat, vor allem auf der Insel. Der Täter muss ja wohl mit’m Schiff nübergfahrn sei, oder?“
    „Wenn er nicht geschwommen ist oder drüben wohnt“, entgegnete Wildmann.

4
    Die alte Kellertreppe knarzte beängstigend unter den Schritten, die sich vorsichtig, aber wohl vertraut mit den Hindernissen ihren Weg nach unten bahnten. Es handelte sich eigentlich eher um eine Art breite Holzleiter, die in den geräumigen, fensterlosen Kellerraum hinabführte, und sie gab federnd und wackelnd bei jedem Schritt ein bisschen nach. Wenn man die Bodenklappe in der ebenfalls fensterlosen Speisekammer des alten Hauses öffnete, die tagsüber immer sorgsam mit schwerem, altem Linoleum bedeckt war, ging automatisch das Licht an und zwei helle Halogenstrahler tauchten den Keller in ein unwirkliches, kaltes Licht.
    Glücklicherweise gab es diesen Raum, der fast so groß war wie der gesamte Grundriss des über hundert Jahre alten Hauses darüber. Und niemand wusste mehr von der Existenz dieses Raumes – zumindest war das sehr wahrscheinlich, denn alle, die ihn noch gekannt hatten, waren ja inzwischen tot. Dieser Keller war der einzige Ort, an dem man wirklich seinen Frieden hatte, wo man in Ruhe denken und planen konnte. Und überhaupt hätte er gar nicht gewusst, ob er selbst ohne die Zuflucht dieses Kellers noch leben würde.
    Das Archiv würde jetzt nach und nach seinen eigentlichen Sinn erfüllen. Eine lange Zeit des Sammelns und Recherchierens war in eine Zeit des Handelns übergegangen – das war nur folgerichtig. Jahrelang war er eher einem diffusen Gefühl gefolgt, als wirklich zu wissen, wohin ihn seine Arbeit am Ende führen würde. Und es gab natürlich nie eine Garantie, dass er sie jemals erfolgreich würde abschließen können. Aber er war tapfer durch diesen manchmal endlos erscheinenden Tunnel der Verwirrung und des Leids gegangen, wieder und wieder hatte er die Ohnmacht beiseitegeschoben, und jetzt war es umso erhebender, als sich endlich Klarheit eingestellt hatte – eine klare Perspektive, was er jetzt zu tun hatte und was er in Zukunft noch zu tun haben würde.
    Seine Füße schlurften in den alten, ausgeleierten Lammfellhausschuhen über die noch vor nicht allzu langer Zeit auf dem ursprünglich nackten Betonboden verlegten Holzdielen, die dem Raum fast etwas Gemütliches verliehen, entlang an den raumhohen alten Holzregalen, die mit Zeitungsausschnitten, alten Magazinen, Fotoalben, Dokumenten und diversen obskuren Gegenständen gefüllt waren, vorbei an der ausladenden, dunklen Schreibtischplatte, die bis auf eine kleine Arbeitsfläche in der Mitte mit akkurat gestapelten Papieren und Fotografien beladen war, und hinter dem alten, speckglänzenden ledernen Ohrensessel und der Stehlampe mit dem ausgebleichten Stoffschirm voller Jagdmotive durch bis ganz nach hinten, in die schon fast im
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