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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)
Autoren: Peter Bergmann
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zwei Wochen her, dass ich den Plan skizziert habe“, stellte er fest. „Da lag kein Schutt auf dem Boden. Zumindest ist mir nichts aufgefallen.“
    „Hast du die Karte ganz allein gezeichnet?“
    „Ja.“
    „Du musst Stunden gebraucht haben.“
    Er sah sie an mit seinem zu langen Gesicht, eine dunkle Haarsträhne in der Stirn und einen Mundwinkel leicht nach oben gezogen. „Zwei Tage. Ich habe mir gesagt, wenn ich es diesmal nicht mache, werde ich es nie machen. Und nie mehr die Gelegenheit dazu bekommen.“
    Sie nickte nachdenklich, das Ding lag auf ihrem Schoß.
    „Ich weiß nicht, dieses Leuchten... Was willst du jetzt tun?“
    „Abwarten“, sagte er. „Herauskriegen, wozu es gut ist.“
    „Wie könnten es einem Experten zeigen“, schlug sie vor. „Einem Elektrotechniker oder einem Physiker.“
    Er schüttelte heftig den Kopf.
    „Ganz bestimmt nicht. Dann sind wir es los. Auch die Manuskripte.“
    Chiara errötete, denn damit traf er ihren wunden Punkt. Um nichts in der Welt würde sie die Manuskripte aus der Hand geben, ehe sie sich nicht selbst damit befassen konnte.
    „Genau genommen, haben wir im Keller gar nichts zu suchen gehabt“, fügte er noch hinzu. „Er gehört mir ja nicht mehr.“
    „Na gut“, sagte sie obenhin. „Fahren wir zu dir?“
    Eine dreiviertel Stunde später parkten sie in einer Seitengasse gegenüber dem Dom, ganz in der Nähe von Antonios Wohnung.

15___
    Der Wächter stand unterdessen zwischen den Zeilen der Rebstöcke wie ein Spaziergänger, der die sonntägliche Ruhe sucht und in einer Pause den Glanz der Märzsonne genießt. Er war ganz in Braun gekleidet. Der stark taillierte Überrock, mit Knöpfen übersät, die engen Kniebundhosen, Strümpfe und Schuhe hätten einen Beobachter vermuten lassen, dass er sich in der Requisitenkammer eines Provinztheaters bedient hatte - schulterlange Perücke und Degen inklusive. Er beobachtete das Paar seit seiner Rückkehr. Eigentlich kannte er die beiden schon viel länger, von ihrer Kindheit an. Sie wussten es nur nicht. Die zierliche, hübsche Menschenfrau, die gerade wieder im Gutshaus verschwand und den langen, dünnen Mann, der nervös hin und her ging und dann ihn vom Rücksitz eines Autos nahm – das erste übrigens, das der Wächter je in natura zu Gesicht bekam. Hinter dem Wagen verschwand der Lange aus seinem Blickfeld. Nicht schwer zu erraten, was er dort machte. Er unterhielt sich mit ihm .
    Doch den Wächter interessierte das nicht besonders. Als der Alfa - er kannte die Marke aus zahllosen Werbespots und Filmen - zum zweiten Mal wegfuhr, rückte er sein Halstuch zurecht, seine Cravatte, deren Spitzenbesatz wie auch der Rest seines Anzugs leider nicht den frischesten Eindruck machte, wie auch? Über den Weg, den er einschlagen musste, befand er sich im Klaren. Dass sein Spaziergang viele Stunden dauern würde, störte ihn nicht. Ohne Eile schlenderte er durch das erwachende Grün, quer durch die Weingärten, und pfiff makellos korrekt – und das verlieh seinem Auftritt die denkbar seltsamste Note – einen Beatles-Song aus dem Jahr 1969, ‚The long and winding road’. Mit dem rostigen Degen dirigierte er lebhaft und sehr beschwingt dazu.
     

16___
    L. A. 48 Stunden zuvor
    Mehrere Männer und eine Frau saßen in einem kleinen Konferenzraum, der einem Dutzend Personen Platz bot. Die Einrichtung bürokratisch-spartanisch: ein langer Tisch mit schwarzer Tischplatte, Sessel mit verchromtem Gestell, ledernen Sitzpolstern und Rückenlehnen aus Leimholz. Weiße Wände, eine Tür, kein Fenster. Ein Beamer stand auf einem separaten Tischchen und projizierte sein Bild auf die Wand. Eine zweite Frau mit silbergrauem Haar und dunkelgrauem Kostüm bediente das angeschlossene Notebook. Sie konnte damit auch die Raumbeleuchtung steuern und reduzierte sie, sobald der Beamer die ersten Bilder zeigte, Bilder von grausamer Schärfe.
    Ein Mann saß im Licht eines grellen Scheinwerfers auf einem hochlehnigen Stuhl. Große Mengen knallgelben Klebebands sorgten dafür, dass er mit dem Stuhl eine Einheit bildete, unlösbar an dessen Form gefesselt. Von seinem Hals abwärts verlor sich das Gelb des Klebebands unter breiten, roten Schlieren. Sein Gesicht war aufgequollen, übersät mit Platzwunden und hässlichen dunklen Flecken. Von den Augen sah man nur schmale Schlitze. Die aufgeplatzten Lippen bluteten stark. Aus dem Off drang eine kalte Stimme.
    „Sag’ es noch einmal. Wie viel hast du bekommen?“
    Der Mund des Mannes bewegte
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