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Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Titel: Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
Autoren: Mina Kamp
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unsicher fühlte, weil einem nichts Gescheites einfiel, womit man unverfängliche Konversation betreiben konnte.
    Es war jetzt etwa 14 Uhr, in fünf Minuten würde mein Bus gehen.
    Von der Schule aus war ich noch in die Stadt gegangen. Ein paar Lebensmittel einkaufen, damit ich was zum Naschen zu Hause hatte. Bei Henry würde es ja spät werden. Da musste man schon mal planen, was man so alleine mit dem Englischaufsatz über Wuthering Heights anstellen wollte. Kochen kam für mich heute nicht infrage, daher gab es Tiefkühlpizza und Lakritz, so viel ich verkraften konnte, und das war in der Regel viel. Unruhig trat ich von einem auf das andere Bein und betrachtete die alten Gebäude mit ihrem Stuck und den schönen Fenstersprossen. Ich überlegte, wohin es mich wohl später verschlagen würde.
    Onkel Henry wollte gern irgendwann wieder aufs Land ziehen. Von meinem fünften bis dreizehnten Lebensjahr hatten wir auf dem Land gewohnt, allerdings in England, in der Nähe von Cornwall. Henry ging davon aus, dass ich in Amerika studieren würde, bei meinem Vater. Und er wollte sich dann aufs Land zurückziehen. Am liebsten wäre ihm England, die alte Heimat , wie er es nannte. Ich hingegen fühlte mich ein bisschen wie das Fähnchen im Wind. Einen Tag war ich überzeugt, ich würde Mediendesign studieren, und den nächsten wollte ich lieber Einsiedlerin in den Bergen werden. Manchmal machte mir der Umgang mit Menschen Angst. Und was meinen Vater anging, ich konnte mir nicht vorstellen, in seiner Nähe sein zu wollen, versuchte aber, nicht so genau hinzuschauen. Zu ungemütlich waren die Gedankengänge, die ihn betrafen.
    Jetzt stand ich an der Bushaltestelle, wartete auf die Linie 24 und beobachtete dabei eine junge Frau in einem Hauseingang, die umständlich ihre Einkaufstüten in den Hausflur zerrte. Immer wieder verlor sie die eine oder andere Sache aus ihren Tüten, bis eine riss und sie laut vor sich hinfluchte. Wie Sisyphus mühte sie sich ab. Mich überkam dabei ein seltsames Gefühl von Mitleid, was mich mit noch mehr Unruhe erfüllte und dazu zwang, fortzuschauen. Ich stritt mich noch mit dem Engel auf meiner rechten Schulter, der mir sagte, ich solle rübergehen und der Frau helfen, und dem Teufel auf meiner linken Schulter, der das Gegenteil vorschlug, als etwas anderes mein Interesse erregte. Es war kühl und dunkel geworden für Anfang September. Kurz bevor der Bus kam, nahm ich ein seltsames unwirkliches Flimmern auf dem Asphalt wahr. Wie dieses Hitzeflimmern auf den Straßen an extrem heißen Tagen, wenn die Sonne hell schien. Es irritierte mich. War es nicht Sonneneinstrahlung, die solch ein Flimmern entstehen ließ?
    Doch es war recht dunkel, kein Sonnenschein. Mein Blick glitt höher auf die gegenüberliegende Straßenseite, als mein Herz einen schmerzhaften Satz gegen meine Rippen machte. Kaltes Erkennen kroch mir die Beine wie Eiswasser hoch und meine Finger prickelten vom Adrenalin. Auf der anderen Seite stand er. Kühl und schön lehnte er an einer Hauswand und schaute mich an, wie immer mit verschränkten Armen vor der Brust – eine nur allzu bekannte Pose. Sein bronzefarbenes Haar schien unwirklich zu leuchten in der hereinbrechenden Dämmerung und seine dunklen, interessierten Augen bohrte er in meine. Wie in meinen Träumen rührte er sich nicht von der Stelle, sondern starrte mich nur an. Meine Augen tränten, da ich es nicht wagte zu blinzeln und ihn somit auch nur eine Sekunde aus meinem Blick zu verlieren. Zitternd atmete ich aus und ballte meine Hände zu Fäusten. Seine Augenbrauen zogen sich hoch und verliehen seiner Miene etwas Erstauntes oder Spöttisches. Ich schluckte schwer.
    Ein Windhauch erfasste mein Haar und der Bus rollte urplötzlich in mein Sichtfeld, stoppte und öffnete die Türen. Der Bann war gebrochen. Ich hatte weder das Nahen des Busses bemerkt, noch das Verschwinden des Typen richtig wahrgenommen. Hektisch sah ich mich um. Er war nirgendwo mehr zu sehen und es regnete mit einem mal, als hätte Poseidon persönlich die Schleusen geöffnet. Leute stiegen aus dem Bus und strömten an mir vorbei, stießen mich an oder schlugen einen Haken um mich herum. Ich stand wie erstarrt da. Der Busfahrer hielt die Tür geöffnet und sah mich auffordernd an.
    »Mädchen, was ist? Willst du einsteigen oder nicht?«
    Ich musste ihn angestarrt haben wie eine verschreckte Katze kurz vorm Fauchen, denn er hatte anscheinend das Gefühl, sich erklären zu müssen. »Es ist so: Wir haben
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