Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
keine Katastrophe...
    »Ich bin so froh, dass das überstanden wäre.« Mum kommt herüber und küsst meine Stirn. »Aber jetzt sollten wir uns beeilen. Such dir ein paar schwarze Schuhe, hopp, hopp!«
    Seufzend stehe ich auf und schleppe mich ins Schlafzimmer. Es ist ein schöner, sonniger Tag. Aber ich werde ihn bei einer unseligen Familienfeier für eine tote Hundertfünfjährige verbringen. Manchmal ist das Leben richtig scheiße.
    Als wir auf den trübsinnigen, kleinen Parkplatz des Bestattungsinstitutes in Potters Bar einscheren, fällt mir ein Pulk von Menschen vor dem Seiteneingang auf Dann sehe ich eine Fernsehkamera, und ein flauschiges Mikrofon wippt über den Köpfen.
    »Was ist da los?« Ich spähe aus dem Fenster. »Hat das irgendwas mit Onkel Bill zu tun?«
    »Vermutlich.« Dad nickt.
    »Ich glaube, jemand dreht eine Dokumentation über ihn«, wirft Mum ein. »Trudy sagte irgendwas in der Art. Für sein Buch.«
    So was kommt vor, wenn man Prominenz in der Verwandtschaft hat. Man gewöhnt sich an die Fernsehkameras. Und an Leute, die - wenn man sich vorstellt - sagen: »Lington? Irgendwie verwandt mit Lingtons Cojfee , haha?«, und dann platt sind, wenn man mit »Ja« antwortet.
    Mein Onkel Bill ist der Bill Lington, der im Alter von sechsundzwanzig Jahren Lingtons Coffee aus dem Nichts gestampft und zu einem weltweiten Imperium von Coffeeshops ausgebaut hat. Sein Gesicht ist auf jedem einzelnen Kaffeebecher abgebildet, wodurch er noch berühmter als die Beaties und solche Leute ist. Jeder kennt ihn. Und momentan steht er sogar noch mehr im Rampenlicht als sonst, weil letzten Monat seine Autobiografie Zwei Kleine Münzen erschienen ist und zum Bestseller wurde. Angeblich soll Pierce Brosnan ihn in der Verfilmung spielen.
    Natürlich habe ich es von vorn bis hinten gelesen. Es geht darum, wie er sich von seinen letzten zwanzig Pence einen Kaffee gekauft hat, der so scheußlich schmeckte, dass ihm die Idee mit den Coffeeshops kam. Also hat er erst einen eröffnet, dann eine ganze Kette, und jetzt gehört ihm mehr oder weniger die ganze Welt. Sein Spitzname ist »Der Alchemist«, und die versammelte Geschäftswelt möchte natürlich wissen, was sein Erfolgsgeheimnis ist. Jedenfalls stand das so letztes Jahr in der Zeitung.
    Deshalb gibt er seine »Zwei Kleine Münzen«-Seminare. Vor Monaten habe ich eines davon heimlich besucht. Um mir ein paar Tipps zu holen, wie man eine neue Firma etabliert. Zweihundert Leute saßen da und sogen jedes Wort in sich auf, und am Ende mussten wir alle zwei Münzen hochhalten und sagen: »Damit fange ich an.« Es war total abgeschmackt und peinlich, aber alle um mich herum machten einen wirklich inspirierten Eindruck. Ich persönlich habe die ganze Zeit aufmerksam zugehört und weiß immer noch nicht, wie er es gemacht hat.
    Ich meine, er war erst sechsundzwanzig, als er seine erste Million machte. Sechsundzwanzig! Er hat ein Unternehmen gegründet und hatte sofort Erfolg. Ich dagegen habe vor einem halben Jahr ein Unternehmen gegründet und hatte sofort Kopfschmerzen.
    »Vielleicht schreibst du eines Tages mit Natalie ein Buch über eure Firma!«, sagt Mum, als könnte sie meine Gedanken lesen.
    »Ihr werdet die Welt beherrschen«, stimmt Dad freudig mit ein.
    »Da, ein Eichhörnchen!« Eilig deute ich aus dem Fenster. Meine Eltern haben mich bei meinem Einstieg in die Selbständigkeit so sehr unterstützt, dass ich ihnen einfach nicht die Wahrheit sagen kann. Also wechsle ich das Thema jedes Mal, wenn sie davon anfangen.
    Korrekterweise müsste ich hinzufügen, dass Mum mich nicht vom allerersten Moment an unterstützt hat. Sie erlitt nämlich erst einmal einen Nervenzusammenbruch, als ich verkündete, ich wollte meinen Job im Marketing aufgeben und mich mit meinem Ersparten als Headhunterin etablieren, obwohl ich in meinem ganzen Leben weder je Headhunterin gewesen war, noch irgendeine Ahnung davon hatte.
    Sie beruhigte sich erst, als ich ihr erklärte, dass ich mich geschäftlich mit meiner besten Freundin Natalie zusammentun wollte. Und dass Natalie bereits eine erfolgreiche Headhunterin ist und anfangs das eigentliche Geschäft übernehmen wollte, während ich mich um den Schreibkram kümmerte und dabei die Kunst der Headhunterei lernte. Und dass wir bereits mehrere Verträge in Aussicht hätten und den Bankkredit in null Komma nichts zurückzahlen könnten.
    Es schien ein wunderbarer Plan zu sein. Es war ein wunderbarer Plan. Bis vor einem Monat, als Natalie in Goa
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher