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Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl
Autoren: authors_sort
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Familienlegende. Ich habe die Geschichte schon zigmillionen Mal gehört. Dad stand bei Mum vor der Tür, total verschwitzt, weil er mit dem Fahrrad gekommen war, und sie hatte geweint, tat aber so, als sei sie erkältet, und sie vertrugen sich wieder, und Oma brachte Tee und Kekse. (Ich weiß nicht, was die Kekse damit zu tun haben, aber sie werden jedes Mal extra erwähnt).
    »Lara, Liebes.« Mum seufzt. »Das war doch was ganz anderes, weil wir schon drei Jahre zusammen waren. Wir waren immerhin verlobt...«
    »Ich weiß!«, gebe ich trotzig zurück. »Ich weiß, dass es was anderes war. Ich sage ja nur, dass Leute manchmal wieder zusammenfinden. Es kommt vor.«
    Schweigen.
    »Lara, du warst schon immer eine romantische Seele...«, setzt Dad an.
    »Ich bin nicht romantisch!«, rufe ich, als wäre es eine Beleidigung. Ich starre den Teppich an, reibe mit dem Zeh am Flor herum, doch aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Mum und Dad sich gegenseitig auffordern, etwas zu sagen. Mum schüttelt den Kopf und deutet auf Dad, als wollte sie sagen: »Mach du!«
    »Wenn man sich von jemandem trennt«, setzt Dad seltsam hastig wieder an, »blickt man leicht zurück und denkt, das Leben wäre perfekt, wenn man wieder zusammenkäme. Aber...« Gleich wird er mir erzählen, dass das Leben wie ein Fahrstuhl ist - mal geht‘s rauf, mal runter. Ich muss ihm zuvorkommen, und zwar schnell.
    »Dad. Hör zu. Bitte.« Irgendwie schaffe ich es, ruhig zu bleiben. »Du hast da was falsch verstanden. Ich will nicht wieder mit Josh zusammen sein.« Ich versuche, so zu klingen, als sei die bloße Vorstellung absurd. »Deswegen habe ich ihm doch keine SMS geschrieben. Ich wollte einen Schlussstrich ziehen. Ich meine, er hat ohne Vorwarnung, ohne ein Wort der Erklärung einfach mit mir Schluss gemacht. Keine Ahnung, warum. Es ist so ... ungeklärt. Es ist, als würde man einen Agatha-Christie-Roman lesen, ohne zu erfahren, wer der Täter war!«
    So. Das werden sie verstehen.
    »Tja«, sagt Dad nach einer Weile. »Ich kann deine Enttäuschung verstehen...«
    »Ich wollte verstehen, was in Joshs Kopf vorgegangen ist«, sage ich so überzeugend wie möglich. »Darüber sprechen. Mit ihm reden, wie zivilisierte, menschliche Wesen.«
    Und wieder mit ihm zusammenkommen , wie ich im Stillen hinzufüge - ein lautloser Pfeil der Wahrheit. Weil ich weiß, dass Josh mich noch immer liebt, selbst wenn niemand sonst daran glaubt.
    Aber es hat keinen Sinn, meinen Eltern so etwas zu sagen. Sie würden es nie verstehen. Wie sollten sie auch? Sie haben ja keine Ahnung, wie gut Josh und ich zusammenpassten, was für ein perfektes Paar wir waren. Sie begreifen nicht, dass er offenbar in Panik einen übereilten Entschluss gefasst hat, wie ein kleiner Junge, der Muffensausen bekommt. Vermutlich gab es gar keinen echten Grund, und wenn ich nur mit ihm reden könnte, ließe sich bestimmt alles klären und wir wären wieder zusammen.
    Manchmal komme ich mir vor, als wäre ich meinen Eltern weit voraus, so wie es Einstein ergangen sein muss, wenn seine Freunde sagten: »Das Universum ist flach. Albert, glaub es uns«, und insgeheim dachte er: »Ich weiß, dass es gekrümmt ist. Eines Tages werde ich es euch beweisen.«
    Mum und Dad treiben sich wieder heimlich gegenseitig an. Ich sollte sie aus ihrem Elend befreien.
    »Jedenfalls müsst ihr euch um mich keine Sorgen machen«, sage ich hastig. »Denn ich bin darüber hinweg. Ich meine, okay, vielleicht bin ich noch nicht ganz darüber hinweg«, räume ich ein, als ich ihre zweifelnden Mienen sehe, »aber ich habe mich damit abgefunden, dass Josh nicht reden will. Mir ist klar geworden, dass es nicht hat sein sollen. Ich habe eine Menge über mich gelernt, und... ich bin gut drauf. Echt.«
    Das Lächeln ist mir ins Gesicht gemeißelt. Mir ist, als würde ich das Mantra irgendeiner durchgeknallten Sekte singen. Ich sollte ein Gewand tragen und Tamburin schlagen.
    Hare, hare... ich bin drüber weg... hare, hare... ich bin gut drauf...
    Dad und Mum tauschen Blicke. Ich habe keine Ahnung, ob sie mir glauben, aber wenigstens habe ich uns allen einen Ausweg aus diesem heiklen Gespräch ermöglicht.
    »Das wollte ich hören!«, sagt Dad und sieht erleichtert aus. »Sehr gut, Lara! Ich wusste, du schaffst es. Und außerdem musst du dich auf deine Firma mit Natalie konzentrieren, wo sie doch so gut läuft...«
    Mein Lächeln wird noch sektenartiger.
    »Absolut!«
    Hare, hare... meine Firma läuft gut... hare, hare... sie ist gar
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