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Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl
Autoren: authors_sort
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sagt Tonya ungeduldig. »Ein ›triftiger Grund‹. Ich meine, was um alles in der Welt sollte das sein? Machen Sie einfach weiter!«, fährt sie die Pastorin herrisch an, die sich leicht aufplustert.
    »Lara.« Sie ignoriert Tonya und wendet sich mir zu. »Haben Sie tatsächlich einen guten Grund, die Bestattung Ihrer Großtante zu verhindern?«
    »Ja!«
    »Und dieser Grund ist...?« Sie wartet.
    Oh, mein Gott. Was soll ich sagen? Weil eine Halluzination es mir befohlen hat?
    »Es ist, weil... äh...«
    »Sag, ich bin ermordet worden!« Erschrocken blicke ich auf und sehe das Mädchen direkt vor meiner Nase. »Sag es! Dann müssen sie die Bestattung verschieben. Sag es!« Sie steht neben mir und schreit in mein Ohr. »Sag es! Sagessagessages...!«
    »Ich glaube, meine Tante wurde ermordet!«, platze ich in meiner Verzweiflung heraus.
    Ich habe schon bei einigen Gelegenheiten gesehen, dass mich meine Familie anstarrt, wie vom Blitz getroffen. Nichts jedoch hat je eine solche Reaktion hervorgerufen. Alle haben sich auf ihren Plätzen umgedreht, mit offenen Mündern, ungläubig, wie ein Stillleben. Fast muss ich lachen.
    »Ermordet ?«, sagt die Pastorin schließlich.
    »Ja«, sage ich frei heraus. »Ich habe berechtigten Grund zu der Annahme, dass hier etwas faul ist. Wir müssen den Leichnam also für die Beweisaufnahme sichern.«
    Langsam kommt die Pastorin auf mich zu, kneift die Augen zusammen, als wollte sie einschätzen, ob ich ihre Zeit vergeude. Allerdings weiß sie nicht, dass Tonya und ich früher immer versucht haben, uns gegenseitig niederzustarren, und ich immer gewonnen habe. Ich erwidere ihren Blick mit der gleichen ernsten Das-ist-kein-Spaß-Miene.
    »Ermordet... wie?«, sagt sie.
    »Das möchte ich lieber mit den Beamten besprechen«, gebe ich zurück, als wäre ich in einer Episode von CSI: Gottesacker.
    »Sie wollen, dass ich die Polizei rufe?« Jetzt sieht sie ehrlich schockiert aus.
    Oh mein Gott! Selbstverständlich will ich nicht, dass sie die verdammte Polizei ruft. Aber ich kann jetzt keinen Rückzieher machen, Ich muss überzeugend wirken.
    »Ja«, sage ich nach kurzer Pause. »Ja, ich glaube, das wäre wohl das Beste.«
    »Sie können sie doch nicht ernst nehmen!«, bricht es aus Tonya hervor. »Sie will sich ganz offensichtlich nur wichtigmachen!«
    Ich merke, dass die Pastorin von Tonya langsam genervt ist, was für mich ganz nützlich werden könnte.
    »Meine Liebe«, sagt sie knapp. »Diese Entscheidung liegt nicht bei Ihnen. Einer solchen Anschuldigung muss nachgegangen werden. Und Ihre Schwester hat ganz recht. Der Leichnam müsste für die Gerichtsmedizin verwahrt werden.«
    Mir scheint, die Pastorin findet Geschmack an der Idee. Wahrscheinlich sieht sie sonntagabends immer Fernsehkrimis.
    Jedenfalls kommt sie näher zu mir heran und sagt ganz leise: »Wer - glauben Sie - hat Ihre Großtante ermordet?«
    »Dazu möchte ich in diesem Moment lieber nichts sagen«, flüstere ich düster. »Es ist kompliziert.« Ich werfe Tonya einen bedeutsamen Blick zu. »Wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Was?« Tonyas Gesicht läuft knallrot an. »Du beschuldigst doch wohl nicht mich! »Ich sage überhaupt nichts.« Ich gebe mich unergründlich. »Außer zur Polizei.«
    »Das ist doch Schwachsinn. Bringen wir es nun zu Ende oder nicht?« Onkel Bill klappt sein BlackBerry zu. »Denn - so oder so - mein Wagen ist da, und wir haben der alten Dame jetzt schon genug Zeit gewidmet.«
    »Mehr als genug!«, stimmt Tante Trudy mit ein. »Komm, Diamanté, das Ganze ist doch eine Farce!« Mit eckigen Bewegungen sammelt sie ihre Promi-Magazine ein.
    »Lara, ich habe keine Ahnung, was du hier abziehst.« Onkel Bill sieht Dad im Vorübergehen finster an. »Sie braucht Hilfe, deine Tochter. Die ist doch nicht ganz richtig im Kopf.«
    »Lara, Kindchen.« Mum steht auf und kommt herüber, runzelt sorgenvoll die Stirn. »Du kanntest deine Großtante Sadie doch gar nicht.«
    »Vielleicht nicht, vielleicht doch.« Ich verschränke meine Arme. »Es gibt so manches, was ich dir nicht erzähle.«
    Fast glaube ich schon selbst an diesen Mord.
    Die Pastorin wirkt nervös, als wüchse ihr das alles langsam über den Kopf. »Ich glaube, ich sollte lieber die Polizei rufen. Lara, seien Sie so gut und warten hier. Die anderen sollten vermutlich lieber gehen.«
    »Lara.« Dad kommt zu mir und nimmt meinen Arm. »Liebes.«
    »Dad... geh lieber«, presse ich mit nobler Aura der Unverstandenheit hervor. »Ich muss tun, was ich tun
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