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Chaosprinz Band 1

Chaosprinz Band 1

Titel: Chaosprinz Band 1
Autoren: Katja 'libbyreads' Kober
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Aggressionspegel steigt. Wütend gehe ich auf den Vogel zu und versuche, nach ihm zu treten. Die fette Taube flattert mit ihren grauen Flügeln. Nach zwei weiteren Attacken schwirrt sie endlich ab und sucht Schutz unter einem der großen Stützbalken der Bahnhofshalle. Triumphierend drehe ich mich um und gehe zurück zu meinem Gepäck, das noch immer einsam und verlassen neben einem der Mülleimer steht.
    Ich bemerke, wie mich die Familie mit den zwei kleinen Kindern, die auf der Bank neben mir sitzt, anstarrt. Na toll, jetzt habe ich auch noch den ganzen Bahnsteig unterhalten . Hat Ihnen diese kleine Einlage gefallen? Ich nenne sie: Junger Mann tritt Taube! Ich hoffe Sie haben sich köstlich amüsiert. Mit ziemlich heißen Wangen setze ich mich auf eine der Bänke.
    Noch ein Blick auf die Uhr. 18 Uhr 30. Seit meiner Ankunft ist also mehr als eine Stunde vergangen und mein toller Vater ist nicht aufgetaucht. Scheiße, Scheiße, Scheiße!
    Zum gefühlt tausendsten Mal wähle ich seine Handynummer. Es geht immer noch keiner dran. Warum hat Ma nicht nach der Festnetznummer gefragt? Ach, verdammt.
    Bei dem Gedanken an Ma zieht sich der Knoten in meiner Brust heftig zusammen. Sie wundert sich bestimmt, warum ich mich noch nicht gemeldet habe. Aber das kann ich jetzt nicht. Wenn ich ihre Stimme höre, fange ich sofort an zu heulen, ganz sicher.
    Wehmütig stelle ich mir vor, wie Ma mit den anderen in unserer gemütlichen Küche sitzt und sich fragt, wann ich nun endlich anrufen werde. Ich sehe ihre Gesichter vor mir: Oma und Inge, Kalle, Vivienne, Armin und Gordon und natürlich Tina und Mario…
    Tina und Mario… Scheiße! Ich springe auf und fluche laut.
    »Verdammte Scheiße!« Ich habe das Plakat meiner beiden besten Freunde auf der Gepäckablage des beschissenen Zugs vergessen. Wütend werfe ich den Kaffeebecher in den Mülleimer und kann nun doch nichts mehr gegen die Tränen tun, die mir heiß die Wangen herunterkullern.
    Ich bin froh, dass der Bahnsteig leer ist. Welcher achtzehnjährige Junge lässt sich denn schon gerne beim Heulen beobachten? Nicht sehr männlich. Aber wenn ich ehrlich bin, ist es mir momentan schlichtweg egal, ob ich mich männlich verhalte oder nicht. Was sagt Ma immer: Verhalte dich nicht männlich, sondern menschlich. Und der Mensch in mir ist einfach nur traurig, verzweifelt und stinkwütend. Wenn mir jetzt einer blöd kommt, dann…
    Aufreizend gurrend schwirrt die blöde Taube von eben über meinen Kopf hinweg. Entsetzt reiße ich die Augen auf. Das gottverdammte Vieh hat doch wirklich gewagt, im Flug auf meine Jeanshose zu scheißen. Ich starre den ekligen weißen Fleck an. Im nächsten Augenblick springe ich auf und renne auf das Federvieh zu, das sich nur wenige Meter entfernt von mir niedergelassen hat.
    Mit aller Kraft trete ich zu. Die Taube fliegt erst einige Meter weit, knallt dann gegen einen Pfeiler und fällt anschließend wie ein Stein zu Boden. Regungslos stehe ich da und starre zu dem Federhaufen. Was habe ich getan?!
    »Scheiße«, flüstere ich. »Ich hab sie getötet. Ich bin ein Taubenkiller! Oh Gott, das ist bestimmt ganz schlecht für mein Karma…« Mit schnellen Schritten eile ich zu dem reglosen Vogel.
    »Fass sie nicht an!«
    Erschrocken zucke ich zusammen. Na toll, wurde ich bei dieser glorreichen Aktion etwa auch noch beobachtet?
    »Fass sie bloß nicht an! Tauben können alle möglichen Krankheiten und Keime übertragen. Warte… hier, die Zeitung, damit geht's.«
    Irritiert starre ich den Typen an, der sich neben mich kniet und die Taube vorsichtig in ein Stück Zeitung einwickelt. Seine braunen Augen fixieren das Tier, die großen Hände tasten den Körper unter dem Papier ab. Dann dreht er den Kopf und lächelt mich an. Auf seinen Wangen entstehen dabei süße Grübchen.
    »Das wollte ich nicht. Ehrlich, ich wollte sie nicht töten… ich hab noch nie was getötet… außer mal eine Spinne oder Stechmücken und vielleicht Ameisen, wenn ich unabsichtlich drauf getreten bin oder…« Meine Stimme zittert. Seine sanften braunen Augen bohren sich tief in mein schlechtes Gewissen.
    »Das sah mir aber nicht nach einem Zufall aus.« Er lächelt mich sanft an, aber ich bin viel zu aufgewühlt, um den neckenden Unterton in seiner ruhigen Stimme richtig zu deuten. Hektisch beginne ich nach Luft zu schnappen und weiß einfach nicht mehr, was ich sagen soll.
    Er lächelt immer noch. »Beruhig dich, ich glaube, es sieht schlimmer aus, als es ist. Unser armes Opfer lebt
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