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Champagner und Stilettos

Champagner und Stilettos

Titel: Champagner und Stilettos
Autoren: Lauren Weisberger
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stammelte sie und kam sich wie ein Idiot vor.
    Brooke war schon wieder unterwegs zurück zu ihrem Tisch, als die Barfrau ihr nachrief: »Er sagt, er spielt regelmäßig irgendwo an der Upper East Side, bei Trick’s oder Rick’s oder so ähnlich. Dienstags, wenn dir das weiterhilft.«
    Brooke konnte an einer Hand abzählen, wie oft sie Live-Musik in irgendwelchen Bars gehört hatte. Nie hatte sie einem Fremden nachgestellt, und bis auf die eine oder andere Viertelstunde, die sie gelegentlich mal auf Freunde wartete, saß sie auch nie allein in Clubs oder Kneipen herum. Doch all dies hielt sie nicht davon ab, ein halbes Dutzend Anrufe zu tätigen, um das richtige Lokal aufzuspüren, und dann – nach drei Wochen des Zagens und Zögerns – in einer heißen Julinacht tatsächlich in die U-Bahn zu steigen und zu Nick’s Bar zu fahren.
    Kaum hatte sie einen der letzten freien Stühle in der hintersten Ecke ergattert, wusste sie schon, dass sich die Mühe gelohnt hatte. Der Club unterschied sich nicht von hundert anderen dieser Sorte an der Second Avenue, aber das Publikum war überraschend bunt gemischt. Statt des üblichen Upper-East-Side-Klüngels von Anzugträgern, die frisch vom College kamen und dringend ein paar Bierchen zischen mussten, nachdem sie ihre nagelneuen Brooks-Brothers-Schlipse gelockert hatten, kamen hierher vor allem NYU -Studenten, die den Weg ans andere Ende der Stadt nicht gescheut hatten. Auch einige Yuppies waren darunter, die Martinis nippten und Händchen hielten, sowie Horden von Converse tragenden Hipsters, die man sonst eigentlich nur in Brooklyn oder im East Village sah. Bald war das Nick’s brechend voll, alle Plätze waren besetzt, selbst hinten im Lokal drängelten sich noch einige Dutzend Leute. Brooke war völlig baff, dass sie nicht die Einzige war, der Julians Musik gefiel. So wie ihr einen Monat zuvor im Rue B’s erging es offensichtlich noch einer ganzen Reihe von Leuten. Sie kannten Julian bereits und pilgerten durch die ganze Stadt, nur um ihn spielen zu hören.
    Als Julian sich endlich ans Klavier setzte und probehalber ein paar Akkorde anschlug, vibrierte der Raum vor Erwartung. Beim ersten Lied schon schienen alle gleichermaßen von dem Rhythmus ergriffen, manche wiegten sich kaum merklich, die Augen geschlossen, leicht vorgeneigt in Richtung Bühne. Brooke, die nie gewusst hatte, was es hieß, sich in der Musik zu verlieren, spürte, wie ihr ganzer Körper sich entspannte. Ob es der Rotwein war, die warme, sinnliche Stimme oder das exotische Gefühl, allein in einer Menge aus völlig Fremden zu sein – Brooke war augenblicklich süchtig.
    Den Rest des Sommers ging sie jeden Dienstag ins Nick’s. Sie nahm nie jemanden mit; wenn ihre Mitbewohnerinnen sie fragten, wo sie hinwollte, schwindelte sie irgendwas von einer Lesegruppe. Einfach dazusitzen, ihm zuzusehen und zuzuhören, machte ihn ihr allmählich fast vertraut. Bis dahin war Musik für sie immer nur Zerstreuung gewesen, Spaß und Tanz, ein Zeitvertreib auf langen Autofahrten. Aber das hier? Das war unglaublich. Ohne jede Vorwarnung konnte Julians Musik auf ihre Stimmung einwirken, ihr Denken verändern und sie Dinge fühlen lassen, die weit jenseits ihrer täglichen Erfahrungswelt lagen.
    Bis zu diesen Solo-Abenden bei Nick’s hatten ihre Wochen alle gleich ausgesehen: Arbeit, Arbeit und ab und an mal ein paar Drinks, immer mit denselben Freunden vom College, denselben neugierigen Mitbewohnerinnen. Sie war damit ganz zufrieden gewesen, doch manchmal hatte sie dabei auch das Gefühl, völlig erdrückt zu werden. Jetzt hatte sie Julian, und die Tatsache, dass sie nie auch nur einen Blick miteinander wechselten, störte sie in keiner Weise. Sie war vollkommen glücklich damit, ihm einfach zuzuschauen. Nach jedem Auftritt machte er – widerstrebend, wie ihr schien – eine Runde durchs Lokal, schüttelte Hände und nahm bescheiden das Lob entgegen, mit dem alle ihn überschütteten, aber Brooke versuchte nie, sich ihm zu nähern.
    Zwei Wochen nach dem 11. September 2001 überredete Nola sie zu einem Blind Date mit einem Typen, den sie über Kollegen kennengelernt hatte. All ihre Freunde waren entweder aus New York zu Verwandten geflüchtet oder hatten sich wieder mit irgendwelchen Expartnern zusammengetan, und die Stadt lag wie gelähmt vor Trauer unter einer beißenden Rauchdecke. Nola hatte sich einen neuen Freund zugelegt und verbrachte jede Nacht bei ihm, und Brooke fühlte sich einsam und deprimiert.
    »Ein
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