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Cécile

Cécile

Titel: Cécile
Autoren: Theodor Fontane
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Über die Veranlassung zu dem Duell verlautet nichts Bestimmtes, da die Sekundanten jede Auskunft verweigern.«
     
    Vier Tage danach traf unter der Adresse der Frau von St. Arnaud nachstehender Brief in Berlin ein:
     
    »
Mentone
, den 4. Dezember
     
    Meine liebe Cécile! Was geschehen ist, wirst Du mittlerweile durch Rossow erfahren haben, und über meinen persönlichen Verbleib gibt Dir der Poststempel Auskunft. Ich habe hier im ›Hotel Bauer‹ (es findet sich überall dieser Name) Wohnung genommen und genieße der Ruhe nach all den Vorkommnissen und unruhigen Bewegungen der nun zurückliegenden Woche. Selbst von einer gewissen Herzensbewegung darf ich sprechen, zu der ich mich,
Dir
gegenüber, gern bekenne. Der Ausgang der Sache machte doch einen Eindruck auf mich, und so bot ich ihm die Hand zur Versöhnung. Aber er wies sie zurück. Eine Minute später war er nicht mehr.
    Ich hoffe, daß Du das Geschehene nimmst, wie's genommen werden muß. ›Tu l'as voulu, George Dandin.‹ Sein Benehmen war ein Affront gegen Dich und mich, und er hätte mich besser kennen müssen. Übrigens bin ich seinem Mute Gerechtigkeit schuldig und mehr noch seiner unsentimentalen Entschlossenheit, die mir beinah imponiert hat. Denn er
wollte
mich treffen, und seine Kugel, die mir die Rippen streifte, ging nur zwei Finger breit zu weit rechts. Sonst war ich da, wo er jetzt ist. Daß Du mit ein paar Herzensfasern an ihm hingst, weiß ich und war mir recht – eine junge Frau braucht dergleichen. Aber nimm das Ganze nicht tragischer als nötig, die Welt ist kein Treibhaus für überzarte Gefühle.
    Daß ich mich den Langweiligkeiten einer abermaligen Prozessierung entzogen habe, wirst Du natürlich finden. Ich werde mit nächstem sechzig und fühle keinen Beruf in mir, abermals ein Jahr lang (oder vielleicht noch länger) um den Julius-Turm spazierenzugehen. So zog ich denn die Riviera vor.
    Empfiehl mich Rossow. Er hat sich in der ganzen Affaire brillant benommen und teilte nach seinen Verhandlungen mit Gordon ganz meine Meinung über diesen. Gordon täuschte durch glatte Formen; anfangs auch mich. Im Grunde seines Herzens war er hochmütig und eingebildet, wie die meisten dieser Herren. Er überschätzte sich, weil ihm das Weltfahren zu Kopfe gestiegen war, und mißachtete die gesellschaftlichen Scheidungen, die wir, diesseits des großen Wassers, vorläufig wenigstens noch haben.
    Wenn Deine Gesundheit es zuläßt, erwart ich Dich spätestens in nächster Woche. Die Luft hier ist entzückend, keine Spur von Winter, alles noch in Blüte oder schon wieder in Blüte. Komm also. Der Pflicht der Abschiedsbesuche sind wir ja Gott sei Dank überhoben; jede Situation hat ihre Meriten. Im übrigen wird es gut sein, wenn Dich Marie begleitet, die hier, was ihr den Abschied von Fritz vielleicht erleichtert, das Katholische näher und bequemer hat als in Berlin. Au revoir,
    Dein St. Arnaud«
     
    Drei Tage nach Eintreffen dieses Briefes richtete der Hofprediger Dörffel das folgende Schreiben an den Obersten von St. Arnaud:
    »Mein Herr Oberst. Es liegt mir die Pflicht ob, Sie von dem am 4. dieses erfolgten Ableben Ihrer Gemahlin in Kenntnis zu setzen und mich dabei der mir seitens derselben gewordenen schriftlichen Aufträge zu entledigen.
    Ich bitte, zunächst chronologisch berichten zu dürfen.
    Ihre Frau Gemahlin war schwer leidend seit dem Tage, wo die Zeitungsnachricht eintraf; sie wollte niemand sehen, folgte widerwillig den Anordnungen des Arztes und sah von den Bekannten nur Fräulein Rosa und mich. Ich sprach täglich vor, in der Regel in den Mittagsstunden. Vorgestern, bei meinem Erscheinen, fand ich die Jungfer in Tränen und erfuhr, die gnädige Frau sei tot.
    Als ich in das Zimmer trat, sah ich, was geschehen.
    Frau v. St. Arnaud lag auf dem Sofa, ein Batisttuch über Kinn und Mund. Es war mir nicht zweifelhaft, auf welche Weise sie sich den Tod gegeben; ihre Linke hielt das kleine Kreuz mit dem Christuskopf, das sie beständig trug. Der Ausdruck ihrer Züge war der Ausdruck derer, die dieser Zeitlichkeit müde sind. Auf dem Tisch neben ihr lag ihr Gebetbuch, in das sie, zusammengeknifft und nach Art eines Lesezeichens, einen an mich adressierten Brief gelegt hatte. Dieser Brief, das Beichtgeheimnis eines demütigen Herzens, ist mir unendlich wertvoll, weshalb ich bitte, den Inhalt desselben Ihnen, mein Herr Oberst, nur abschriftlich und nur in seinem sachlichen Teile mitteilen zu dürfen. Es heißt in diesem Letzten
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