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Cécile

Cécile

Titel: Cécile
Autoren: Theodor Fontane
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es nichts wäre, so früg ich nicht, und du wärst nicht verwacht und verweint. Also heraus mit der Sprache. Was hat er gesagt? Oder was hat er geschrieben? Er schrieb in einem fort. Ewige Briefe.«
    »Willst du sie lesen?«
    »Unsinn. Ich kenne Liebesbriefe: die besten kriegt man nie zu sehen, und was dann bleibt, ist gut für nichts. Übrigens sind mir seine Beteuerungen und vielleicht auch Bedauerungen absolut gleichgiltig; aber nicht sein Auftreten vor Zeugen, nicht sein Benehmen in Gegenwart andrer. Er hat dich beleidigt. Der Hauptsache nach weiß ich, was geschehen ist; Hedemeyer hat mir gestern im Club davon erzählt, und ich will nur die Bestätigung aus deinem Munde. Das in der Loge mochte gehen, aber dich bis hierher verfolgen, unerhört! Als ob er den Rächer seiner Ehre zu spielen hätte.«
    »Sprich dich nicht in den Zorn hinein, Pierre. Du willst von mir hören, was geschehen ist, und ich sehe, du weißt alles. Ich habe nichts mehr hinzuzusetzen.«
    »Doch, doch. Die Hauptsache fehlt noch. All dergleichen hat eine Vorgeschichte und fällt nicht vom Himmel. Am wenigsten vom Himmel. Gordon ist ein Mann von Familie, von Welt und Urteil, und ein solcher Mann handelt nicht ins Unbestimmte hinein. Er befragt die Situation. Und diese Situation will ich wissen, will ich kennenlernen. Schildre sie mir; ich denke, daß du sie mir schildern
kannst
, und zwar ohne sonderliche Verlegenheiten und Verschweigungen. Ein paar Ungenauigkeiten mögen mit drunterlaufen, meinetwegen, ich ereifere mich nicht um Bagatellen. Im übrigen, ich gestatte mir, das vorläufig anzunehmen, kann nichts vorgekommen sein, was das Licht des Tages oder meine Mitwissenschaft zu scheuen hätte. Denn man fordert mich nicht heraus, niemand, am wenigsten meine Frau, die, soviel ich weiß, eine Vorstellung davon hat, daß ich nicht der Mann der Unentschiedenheiten und Ängstlichkeiten bin. Aber du kannst das uralte Frau-Eva-Spiel, das Spiel der Hinhaltungen und In-Sicht-Stellungen über das rechte Maß hinaus gespielt haben, gerad unklug und unvorsichtig genug, um mißverstanden zu werden. Liegt es so, so werd ich meine schöne Cécile bitten, in Zukunft etwas vorsichtiger zu sein. Liegt es aber anders, bist du dir keines Entgegenkommens bewußt, keines Entgegenkommens, das ihm zu
solchem
Eklat und Hausfriedensbruch auch nur einen Schimmer von Recht gegeben hätte, so liegt eine Beleidigung vor, die nicht nur dich trifft, sondern vor allem auch
mich
. Und ich habe nicht gelernt, Effronterien geduldig hinzunehmen. Über diesen Punkt verlang ich Auskunft, offen und unumwunden.«
    Cécile schwieg. Aber wahrnehmend, daß es vergeblich sein würde, ihn durch halbe Worte von seinem Vorhaben abbringen zu wollen, sagte sie: »Was ich zu sagen habe, ist kurz. In Thale waren wir unter deinen Augen, und kein Wort ist gesprochen worden, das sich nicht gleichzeitig an alle Welt, an dich, an den Emeritus, an Rosa gerichtet hätte.«
    St. Arnaud wiegte den Kopf und lächelte, während Cécile, die des Heimrittes von Altenbrak gedenken mochte, nicht ohne Verlegenheit vor sich hin blickte.
    »
Dann
«, fuhr sie fort, »sahen wir uns hier. Es blieb, wie's gewesen. Er war voll Rücksicht und Aufmerksamkeiten, und nichts geschah, was den Respekt gegen mich auch nur einen Augenblick verleugnet hätte. Seine Konversation war leicht und gefällig, mitunter übermütig, aber trotz dieses Anfluges von Übermut hört ich aus jedem Wort eine große Zuneigung heraus, ein Gefühl, das mir wohltat und mich beglückte. So waren seine Worte; so waren auch seine Briefe.«
    »Laß die Briefe.«
    »Du darfst mich nicht unterbrechen. Ich sage, so waren auch seine Briefe. Dann kam das kleine Diner, wo wir Rossow und die Baronin zu Tisch hatten, und von dem Augenblick an war er ein andrer. Die Hergänge jenes Tages können ihn nicht umgestimmt haben, aber unmittelbar danach müssen Dinge zu seiner Kenntnis gekommen sein, ich brauche dir nicht zu sagen, welche, die sein Auftreten und seinen Ton veränderten.«
    »Erbärmlich. Eine Infamie.«
    »Nein, Pierre.«
    »Gut. Weiter.«
    »Ich empfand auf der Stelle diese Veränderung und wies in einem Gespräche, darin ich mich ihm offen gab und zugleich Scherz und Ernst zu mischen suchte, darauf hin, daß er diesen veränderten Ton nicht anschlagen dürfe, weder als Mann von Ehre noch als Mann von Welt, und ich hatte den Eindruck, daß er mir selber zustimmte. Wenigstens entsprach dem sein unmittelbares Tun. Er verabschiedete sich in ein
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