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Cécile

Cécile

Titel: Cécile
Autoren: Theodor Fontane
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Geheimrat zu verneigen, der, inzwischen an Cécile herangetreten, ihre Hand an seine Lippen führte. »Wie gerne wär ich geblieben. Aber es ist gegen meine Grundsätze. Nennen Sie mir nicht den Hofprediger; Hofprediger stören nie. Wer berufsmäßig Beichte hört, steht über der Indiskretion. Übrigens ist er noch nicht da. Bis morgen also, bis morgen.« Und er ging. Im selben Augenblicke brachte Marie den Tee. Sie wollte den Tisch arrangieren, aber Cécile, die das, was in ihr vorging, nicht länger zurückdämmen konnte, sagte: »Lassen Sie, Marie«, und wandte sich dann rasch und mit vor Erregung und fast vor Zorn zitternder Stimme gegen Gordon. »Ich bin indigniert über Sie, Herr von Gordon. Was bezwecken Sie? Was haben Sie vor?«
    »Und Sie fragen?«
    »Ja, noch einmal: was haben Sie vor? was bezwecken Sie? Sprechen Sie mir nicht von Ihrer Neigung. Eine Neigung äußert sich nicht in solchem Affront. Und in welchem Lichte müssen Sie dem Geheimrat erschienen sein.«
    »Jedenfalls in keinem zweifelhafteren als er mir. Lassen Sie das meine Sorge sein.«
    »Aber in welchem Lichte lassen Sie
mich
vor ihm erscheinen. Und Sie begreifen, mein Herr von Gordon, daß
das
meine Sorge ist. Ich habe Sie für einen Kavalier genommen oder, da Sie das Englische so lieben, für einen Gentleman und sehe nun, daß ich mich schwer und bitter in Ihnen getäuscht habe. Schon Ihr Besuch in der Loge war eine Beleidigung; nicht Ihr Erscheinen an sich, aber der Ton, der Ihnen beliebte, die Blicke, die Sie für gut fanden. Ich habe Sie verwöhnt und mein Herz vor Ihnen ausgeschüttet, ich habe mich angeklagt und erniedrigt, aber anstatt mich hochherzig aufzurichten, scheinen Sie zu fordern, daß ich immer kleiner vor Ihrer Größe werde. Meiner Tugenden sind nicht viele, Gott sei's geklagt, aber
eine
darf ich mir unter Ihrer eigenen Zustimmung vielleicht zuschreiben, und nun zwingen Sie mich, dies einzige, was ich habe, mein bißchen Demut, in Hochmut und Prahlerei zu verkehren. Aber Sie lassen mir keine Wahl. Und so hören Sie denn, ich bin nicht schutzlos. Ich beschwöre Sie, zwingen Sie mich nicht, diesen Schutz anzurufen, es wäre Ihr und mein Verderben. Und nun sagen Sie, was soll werden? Wo steckt Ihr Titel für all dies? Was hab ich gefehlt, um dieses Äußerste zu verdienen? Erklären Sie sich.«
    »Erklären, Cécile! Das Rätsel ist leicht gelöst: ich bin eifersüchtig.«
    »Eifersüchtig. Und das sprechen Sie so hin, wie wenn Eifersucht Ihr gutes und verbrieftes Recht wäre, wie wenn es Ihnen zustünde, mein Tun zu bestimmen und meine Schritte zu kontrollieren. Haben Sie dies Recht? Sie haben es
nicht
. Aber wenn Sie's hätten, eine vornehme Gesinnung verleugnet sich auch in der Eifersucht nicht, ich weiß das, ich habe davon erfahren. Sie konnten Schlimmeres tun, als Sie getan haben, aber nichts Kleineres und nichts Unwürdigeres.«
    »Nichts Unwürdigeres! Und was ist es denn, was ich getan habe? Was sich erklärt, ist auch verzeihlich. Cécile, Sie sind strenger gegen mich, als Sie sollten; haben Sie Mitleid mit mir. Sie wissen, wie's mit mir steht, wie's mit mir stand vom ersten Augenblick an. Aber ich bezwang mich. Dann kam der Tag, an dem ich Ihnen alles bekannte. Sie wiesen mich zurück, beschworen mich, Ihren Frieden nicht zu stören. Ich gehorchte, mied Sie, ging. Und der erste Tag, der mich nach langen Wochen und, Gott ist mein Zeuge, durch einen baren Zufall wieder in Ihre Nähe führt, was zeigt er mir? Sie wissen es. Sie wissen es, daß dieser spitze, hämische Herr von Anfang an mein Widerpart war, mein Gegner, der ein Recht zu haben glaubt, sich über mich und meine Neigung zu mokieren. Und eben er, er mir vis-à-vis in der Loge, sichrer und süffisanter denn je zuvor, und neben ihm meine vergötterte Cécile, lachend und heiter hinter ihrem Fächer und sich ihm zubeugend, als könne sie's nicht abwarten, immer mehr von seinen Frivolitäten einzusaugen, von all dem süßen Gift, darin er Meister ist. Ach, Cécile, meine Resignation war aufrichtig und ehrlich, ich schwör es Ihnen; ich kam nicht wieder, um Ihre Ruhe zu stören, aber einen andern bevorzugt sehen und so, so,
das
war mehr, als ich ertragen konnte. Das war zuviel.«
    All das wurde gesprochen, während beide heftig erregt über den Teppich hinschritten; das Flämmchen unter dem Wasserkessel brannte weiter, und der Dampf stieg in kleinen Säulen zwischen den beiden Bronzelampen in die Höh. Alles war Frieden um sie her, und Cécile nahm jetzt seine
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