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Cécile

Cécile

Titel: Cécile
Autoren: Theodor Fontane
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Er kannte jeden Ton und folgte mit Verständnis und Freudigkeit, bis er plötzlich, in einer ihm gegenüberliegenden Loge, Céciles gewahr wurde. Sie saß vorn an der Brüstung, neben ihr der Geheimrat, der ihr, während der Fächer sie halb verdeckte, kleine Bemerkungen zuflüsterte, wobei beider Köpfe sich berührten. So wenigstens schien es Gordon. Und nun ging der Vorhang auf. Aber er sah und hörte nichts mehr und starrte nur, während er Kinn und Mund in seine linke Hand vergrub, nach der Loge hinüber, ganz und gar seiner Eifersucht hingegeben und von einem prickelnden Verlangen erfüllt, lieber zuviel als zuwenig zu sehen. Es schien aber, daß beide dem Spiele nicht nur oberflächlich, sondern aufmerksam und mit einem gewissen Ernste folgten, und nur dann immer, wenn eine leere Stelle kam, beugte sich der eine zum andern und sprach abwechselnd ein kurzes Wort, das von seiten Céciles meistens mit einem Lächeln, von seiten des Geheimrates aber Mal auf Mal mit einem komisch gravitätischen Kopfnicken beantwortet wurde.
    Gordon litt Höllenqualen, und über seine Rache brütend, war er nur darüber in Zweifel, ob er sich im gegebenen Moment (und der Moment mußte sich geben) lieber als »böses Gewissen« oder als »Mephisto« gerieren solle. Natürlich entschied er sich für das letztere. Spott und superiore Witzelei waren der allein richtige Ton, und als ihm dies feststand, fiel zum ersten Male der Vorhang.
    Drüben aber leerte sich die Loge, darin nur Cécile mit ihrem Hausfreunde zurückblieb.
    Und nun stürmte Gordon hinüber, um sich der gnädigen Frau vorzustellen.
    Der Geheimrat hatte sein Glas genommen und musterte den Vorhang. Als er sich eben wieder wandte, vielleicht um seiner Freundin und Nachbarin eine kunstkritische Bemerkung über Arion und noch wahrscheinlicher über die badelustige Nereidengruppe zuzuflüstern, sah er den inzwischen eingetretenen Nebenbuhler, der, mit halbem Gruß ihn streifend, sich eben gegen Cécile verneigte.
    »Welches Glück für mich, meine gnädigste Frau«, begann Gordon in seinem spitzesten Tone, »Sie schon heut und an dieser Stelle begrüßen zu dürfen. Ich hatte vor, mich Ihnen morgen im Laufe des Tages zu präsentieren. Aber es trifft sich günstiger für mich. Darf ich mich nach Ihrem Befinden erkundigen?«
    Cécile zitterte vor Erregung und fand in dem Krampf, der ihr die Sprache zu rauben drohte, nichts als die mit höchster Anstrengung gesprochenen Worte: »Die Herren kennen einander? Geheimrat Hedemeyer... Herr von Gordon.«
    »Hatte bereits die Ehre«, sagte Gordon, während er sich auf einem der frei gewordenen Plätze niederließ. Gleich danach aber, sich leger auf eine Seitenlehne stützend, fuhr er im Tone forcierter guter Laune fort: »Ein volles Haus, meine Gnädigste, jedenfalls voller, als man bei einer Oper glauben sollte, die nun schon dreißig Jahre spielt und jeder auswendig kennt. Es muß der Stoff sein oder die glänzende Besetzung. Ich vermute, Niemann. Er ist doch der geborene Tannhäuser, und kein anderer reicht da heran. Wenigstens nicht auf der Bühne. Für mich sind es Auffrischungen aus Tagen her, in denen ich noch des Vorzugs genoß, mit der silbernen Gardelitze, deren sich, einigermaßen überraschlich, auch das Regiment ›Eisenbahn‹ erfreut, hier sitzen zu dürfen, halb als Kunstenthusiast, halb als militärisches Hausornament. Übrigens empfang ich den Eindruck, als ob Kamerad Hülsen immer noch seine Gnadensonne über Gerechte und Ungerechte scheinen lasse. Sehen Sie da drüben, meine Gnädigste! Die reine Levée en masse, wie gewöhnlich mit Regiment Alexander an der Tête.«
    Cécile hörte den spöttischen Ton nur halb heraus, desto deutlicher der Geheimrat, der denn auch, ersichtlich, um den draußen in der Welt von »Europens übertünchter Höflichkeit« frei gewordenen »Kanadier« zu markieren – mit der ihm eigenen Ironie replizierte: »Sie waren nur sieben Jahre fort, Herr von Gordon? Ich dachte, länger.«
    Gordon, der den Wert einer gelungenen maliziösen Bemerkung auch dann noch zu schätzen wußte, wenn sich die Spitze derselben gegen ihn selber richtete, fand sich momentan in eine leichte, gute Stimmung zurück und antwortete: »Zu dienen, mein Herr Geheimrat; leider nur sieben Jahre, weshalb ich vorhabe, die Zahl baldmöglichst zu verdoppeln, und zwar um meiner weiteren Ausbildung willen. Natürlich Charakter-Ausbildung. Glückt es, so hoff ich einen richtigen Naturmenschen zu erzielen, an dem nichts Falsches
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