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Catriona

Catriona

Titel: Catriona
Autoren: Robert Louis Stevenson
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zu machen. Catriona, das ist kein Leben hier für Euch; verzeiht das Wort, das ich jetzt sage, aber Euer Vater ist nicht würdig, Euch zu hüten.« »Oh, nicht einmal seinen Namen sollt Ihr erwähnen!« war ihr Aufschrei. »Ich brauche auch nicht mehr von ihm zu reden; er ist es ja gar nicht, an den ich denke, oh, glaubt mir das! Ich bin jetzt die ganze lange Zeit in Leyden allein gewesen, und selbst während meiner Studien habe ich stets nur an das eine denken müssen. Dann kam Alan, und ich ging mit Offizieren zu ihren langen Zechereien, und immer noch dachte ich nur an das eine. Und so war es auch vordem, als ich Euch noch an meiner Seite hatte. Catriona, seht Ihr dieses Tuch an meinem Halse? Ihr habt den einen Zipfel abgeschnitten und ihn dann weggeworfen. Es sind jetzt
Eure
Farben; ich trage sie auf meinem Herzen. Oh, Liebe, ich kann nicht ohne Euch sein. Oh, versucht doch, mich ein wenig gern zu haben!«
    Ich trat vor sie hin, ihr den Weg zu versperren.
    »Versucht, mich ein wenig gern zu haben,« bat ich von neuem, »versucht es doch und habt mich ein wenig gern.« Noch immer sprach sie kein Wort, und eine Furcht stieg in mir auf wie die Furcht des Todes.
    »Catriona,« schrie ich, sie fest anblickend, »habe ich mich wieder geirrt? Bin ich ganz verloren?«
    Atemlos sah sie zu mir auf. »Willst du mich wirklich, David?« Kaum vermochte ich die Worte zu verstehen. »Das will ich. Oh, du weißt es ja – das will ich wirklich.« »Ich habe nichts mehr zu geben oder zu versagen«, sagte sie. »Es war alles dein, bereits am ersten Tage, wenn du mich als Geschenk hättest nehmen wollen!« Wir standen auf dem Gipfel des Hügels; die Stätte war windig und weithin sichtbar, selbst von dem englischen Kriegsschiff aus konnte man uns sehen, aber ich kniete vor ihr auf den Sand hin und umschlang ihre Knie und brach in einen solchen Sturm von Tränen aus, daß ich wähnte, er müsse mich zerbrechen. Alles Denken ward von der Wucht dieses Ausbruchs aus meinem Hirn verschlagen. Ich wußte nicht länger, wo ich war, ich hatte vergessen, weshalb ich mich so glücklich fühlte; ich wußte nur, daß sie sich zu mir neigte und mich an ihr Gesicht und ihre Brust zog und hörte ihre Worte wie durch einen Wirbelwind. »Davie,« sagte sie, »o Davie, das ist's also, was du von mir denkst? So lieb hast du mich armes Mädchen? O Davie, Davie!« Damit begann sie selbst zu weinen, und unsere Tränen vermischten sich in vollkommener Freude. Es mag zehn Uhr morgens gewesen sein, als mir aufdämmernd das Bewußtsein der Gnade kam, die mir zuteil geworden und ich mich ihr gegenüber setzte, ihre beiden Hände in den meinen, und ihr ins Gesicht starrte und vor Freude wie ein Kind laut auflachte, und ihr alle möglichen törichten und lieben Namen gab. Nie hab ich einen Ort gesehen, so schön in meinen Augen wie jene Dünen bei Dünkirchen, und die Windmühlenflügel klangen, als sie über den Gipfel tauchten, wie Musik in meinen Ohren.
    Ich weiß nicht, wie lange wir noch alles außer uns selbst hätten vergessen können, hätte ich nicht zufällig ihren Vater erwähnt und uns dadurch mit einem Schlage in die Wirklichkeit zurückversetzt.
    »Meine kleine Freundin« nannte ich sie wieder und immer wieder und frohlockte, in diesem Worte die Vergangenheit heraufbeschwören zu können und ihr ins Gesicht zu sehen und mich ein wenig von ihr zu entfernen: »Meine kleine Freundin, jetzt bist du ganz mein; mein für immer, meine kleine Freundin; und jener Mann da existiert überhaupt nicht mehr.« Plötzliche Blässe überflog ihr Gesicht und sie entzog mir ihre Hände. »Davie, bring mich von ihm fort!« rief sie. »Etwas ist da nicht in Ordnung; er ist kein ehrenhafter Mann. Etwas ist nicht in Ordnung; in meinem Herzen lebt eine furchtbare Angst. Was will er nur mit jenem Kriegsschiff? Was steht in diesem Schreiben?« Sie hielt mir den Brief hin. »Ich fürchte, daß es Alan Böses bringt. Öffne es, Davie – öffne es und sieh nach.« Ich nahm es ihr ab, betrachtete es und schüttelte den Kopf. »Nein,« sagte ich, »mir widerstrebt es; ich kann eines anderen Brief nicht öffnen.«
    »Auch nicht, um deinen Freund zu retten?«
    »Ich weiß es nicht, ich glaube, nein. Wenn ich nur Gewißheit hätte.« »Du brauchst ja nur das Siegel zu erbrechen!«
    »Ich weiß, aber die Sache geht mir wider den Strich.«
    »Gib ihn mir,« sagte sie, »ich werde ihn selbst öffnen.«
    »Nein, du auch nicht«, erwiderte ich. »Du am allerwenigsten. Der Brief
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