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Catriona

Catriona

Titel: Catriona
Autoren: Robert Louis Stevenson
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zeigten wir ihm Pallisers Brief, und sein Gesicht wurde ellenlang. »Der arme James!« sagte er von neuem. »Nun, es gibt schlechtere Menschen als James More. Aber das hier ist wirklich sehr schlimm. Ja, ja, er muß reinweg den Kopf verloren haben! Ein höchst unerfreulicher Brief. Trotzdem, meine Herren, sehe ich nicht ein, weshalb wir ihn der Öffentlichkeit übergeben sollten. Es ist ein schlechter Vogel, der sein eigen Nest beschmutzt, und wir sind alle Schotten und Hochländer.« Darin waren wir mit ihm einig, alle, ausgenommen vielleicht Alan, und noch einiger waren wir betreffs unserer Heirat, die Bohaldie selbst in die Hand nahm, als gäbe es überhaupt keinen James More. Auf die reizendste Manier, und mit zierlich gedrechselten französischen Komplimenten gab er Catriona eigenhändig in die Ehe, und erst, als alles vorbei war und man auf unser Wohl getrunken hatte, verriet er uns, daß James sich in der Stadt befände, wo er einige Tage vor uns eingetroffen war und jetzt auf den Tod krank darniederlag. Ich glaubte auf meiner Frau Gesicht zu lesen, wohin ihr Herz sie trieb.
    »Wir wollen ihn besuchen«, sagte ich.
    »Wenn du es wirklich wünschst«, meinte Catriona. Das war noch in den Flitterwochen.
    Er war in dem gleichen Stadtviertel wie sein Häuptling in einem großen Eckhaus untergebracht; und der Klang eines hochländischen Dudelsacks zeigte uns den Weg nach seiner Dachkammer. Es scheint, daß er sich von Bohaldie ein paar Querpfeifen geborgt hatte, um sich während seiner Krankheit die Zeit zu vertreiben, und obgleich er kein solcher Künstler wie sein Bruder Rob war, machte er doch recht gute Musik. Es war ein kurioser Anblick, die französischen Zuhörer lachend sich auf der Treppe drängen zu sehen. Er lag auf einer Strohmatratze, von Kissen gestützt. Bereits auf den ersten Blick erkannte ich, daß es mit ihm zu Ende ging, und zweifellos war der Ort als Sterbezimmer für ihn ein merkwürdiger Ort. Aber selbst jetzt vermag ich kaum mit Nachsicht bei seinem Ende zu verweilen. Sicherlich hatte Bohaldie ihn auf unser Kommen vorbereitet; er wußte anscheinend, daß wir verheiratet waren, beglückwünschte uns zu dem Ereignis und erteilte uns wie ein Patriarch seinen Segen.
    »Man hat mich niemals verstanden«, sagte er. »Ich verzeihe Euch beiden ohne Bitterkeit,« und so redete er fort, ganz wie früher; ja, er war so gefällig, uns auf den Querpfeifen ein paar Lieder vorzuspielen und ging mich zum Schluß um ein kleines Darlehen an. Ich vermochte auch nicht die Spur von Scham an ihm zu entdecken, dagegen war er ein Meister im Vergeben; das schien für ihn niemals den Reiz zu verlieren. Ich glaube, er vergab mir jedesmal, wenn wir zusammen waren, und als er rund vier Tage später in einer Art Heiligenschein liebevoller Frömmigkeit verschied, hätte ich mir vor Ekel die Haare ausraufen können. Ich ließ ihn begraben, aber was ich auf seinen Grabstein setzen sollte, ging über meinen Horizont; bis es mich endlich das beste dünkte, es bei dem schlichten Datum zu belassen.
    Ich hielt es für ratsamer, jeden Gedanken an Leyden, wo wir als Bruder und Schwester aufgetreten waren, aufzugeben; ohne Frage sah es sehr sonderbar aus, jetzt in einer neuen Rolle dort zu erscheinen. Schottland war für uns das Richtige, und nach Schottland fuhren wir auf einem niederländischen Schiff, nachdem ich mein zurückgelassenes Hab und Gut wieder in meinen Besitz gebracht hatte.
    Und jetzt, Fräulein Barbara Balfour (um den Damen den Vortritt zu geben) und Mr. Alan Balfour, Junker von Shaw, habe ich Euch die Geschichte fein säuberlich zu Ende erzählt. Ihr werdet finden (wenn Ihr's Euch recht überlegt), daß Ihr einen großen Teil der darin handelnden Personen kennt und gesprochen habt. Alison Hastie aus Limekilnes ist das Mädchen, das Eure Wiege schaukelte, als Ihr noch zu klein wart, um etwas davon zu verstehen, und Euch in späteren Jahren auf dem Gute spazierenführte. Die sehr schöne, große Dame, Barbaras Patin, ist niemand anders als Miß Grant, die David Balfour im Hause des Lord Staatsanwalts so arg zum Narren hielt. Und ich frage mich, ob Ihr Euch wohl noch des kleinen, hageren, lebhaften Herrn in Stutzperrücke und schwerem Mantel erinnert, der sehr spät in einer dunklen Nacht nach Shaw kam und den zu begrüßen Ihr aus Euren Betten geholt wurdet, um ihm in dem Speisesaal unter dem Namen Mr. Jamieson vorgestellt zu werden? Oder hat Alan etwa vergessen, was er auf Mr. Jamiesons Verlangen tat – eine
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