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Cash Out (German Edition)

Cash Out (German Edition)

Titel: Cash Out (German Edition)
Autoren: Greg Bardsley
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eingeschlafen bin, meine Fingerspitzen auf seiner Brust, besorgt, dass er womöglich aufhören könnte zu atmen; all die vielen Male, die ich ihm die Windeln gewechselt habe; die vielen Male, wenn ich ihn wiegen und schaukeln musste; all die Male, an denen ich ein Lieblingsspielzeug in das Gitterbettchen bringen musste; all die Male, die er nachts schrie und ich dann den Flur hinuntergetapst bin; all die Male, wenn er Mommy brauchte und niemand sonst gut genug war. Ich denke an all die vielen ersten Male zurück: die ersten Schritte, die ersten Worte, der erste Tag in Unterwäsche für große Jungs, der erste Haarschnitt, die erste Notarztfahrt ins Krankenhaus, wie er das erste Mal etwas sah, das seine Phantasie entfachte, an das erste Mal, als er sich darauf versteifte, dass sein geheimnisvoller imaginärer Freund «Abey Dabey Cabey» real sei und viel zu komplex, als dass wir Erwachsenen das verstehen könnten.

Vor drei Jahren
    Es ist noch keine Stunde nach Bens Geburt. Ich bin wieder ein frischgebackener Vater, und wieder bin ich überwältigt vor Glück. Ich sehe zu ihm hinunter, und er ist wunderschön. Ich starre ihn immer noch an, als eine frischgebackene Ärztin leise den Raum betritt und mir nicht direkt in die Augen sehen kann. Sie verkündet, dass sich in der Bauchhöhle unseres Sohnes ein großer Tumor eingenistet hat.
    Von einem Augenblick auf den anderen verfinstert sich unsere Welt und kippt komplett weg. Das kann nicht wirklich wahr sein. Aber ich weiß nur zu gut, dass Menschen die schlimmsten Dinge widerfahren – jeden Tag. Die Ärztin führt mich in einen anderen Raum und zeigt mir Röntgenaufnahmen von Bens kleinem Bauch. Auf einer Seite sieht man nichts als undurchdringliches Weiß.
    Ich stehe da und nicke. Ich kann nicht sprechen.
    An diesem Abend telefoniere ich mit Rod Stone und heule hemmungslos. Ich halte Kates Hand, bis sie einschläft. Bis in die frühen Morgenstunden gehe ich die Krankenhauskorridore auf und ab. Ich starre die Wände an. Ich starre Ben an – er ist so wunderschön.
    Am nächsten Morgen kommt ein ganzer Schwarm Ärzte mit Neuigkeiten hereinmarschiert: Alles war eine schreckliche Fehldiagnose. Die weiße Masse auf der Röntgenaufnahme war lediglich eine Luftblase. Ein kurzer Abstecher in die Radiologie bestätigt es. Ich bin völlig benommen. Meine Familie ist in Sicherheit, Ben ist in Wirklichkeit kerngesund – er ist sogar ungewöhnlich kräftig.
    Es dauert eine ganze Weile – Monate, genau genommen –, bis ich den Ärzten wirklich glaube. Im Grunde weiß ich ja, dass die Finsternis ständig am Horizont droht, sie lauert immer hinter der nächsten Ecke – wartet auf den passenden Moment, wartet darauf, unser Leben völlig auf den Kopf zu stellen, wartet, bis wir in ihrem eisernen Griff verwelken. Sie hat auch früher schon zugeschlagen, und wir wissen, eines Tages wird sie wiederkehren, bei jedem von uns.
    Eines Tages.
     
    Mein Urologe schneidet und zieht und schnippelt. Es tut nicht mehr weh, nicht wirklich, aber es bringt meine Gedanken vollkommen durcheinander.
    «Ich bin konservativ, Dan. Ich hab immer noch einen Plan B parat.»
    Ich verziehe das Gesicht. «Plan B.»
    Er wirft etwas in den Mülleimer. Ein feuchtes Klatschen gegen den Plastikmüllsack.
    «So» –
ruck!
– «ich wär dann jetzt fertig.»
    Rauch. Ich rieche Rauch.
Was zum Teufel?
Ich hebe den Kopf gerade hoch genug, um zu sehen, wie ein feiner weißer Rauchfaden mäandernd zwischen meinen Beinen aufsteigt. Ich schließe die Augen und senkte den Kopf.
    «Was ich hier mache, ist, schnipp, Doppelknoten, Doppelknoten, kauterisieren. Und genau das riechen Sie gerade.»
    Ich muss das Thema wechseln. «Was ich gerade fragen wollte – Sie haben FlowBid also nicht schon zu einem frühen Zeitpunkt gekauft?»
    «Nein.» Er seufzt verärgert. «Ich war dumm. Mein Berater hat mir gesagt, ich solle achthundert Aktien kaufen, aber ich hab’s nicht gemacht. Ich hab nicht dran geglaubt, Dan. Ich meine, hey, wer hätte so was auch vorhersagen können?» Ein weiterer Schnipp, ein weiteres feuchtes Klatschen gegen den Mülleimer. «Und, was meinen Sie? Glauben Sie, die Sache hat immer noch Potenzial?»
    Das fragen Leute mich ständig. Sie wollen immer wissen, wie viel höher der Kurs von FlowBid denn noch schießen kann, wie viel mehr Geld sie damit verdienen können, ob immer noch anständig Asche zu machen ist, wenn sie jetzt noch einsteigen – denn, verdammt,
irgendwer
kauft immer mehr und mehr FlowBid,
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