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Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
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Gran Connaisseur, so etwas raucht man nicht auf der Straße. Auf der Straße riecht man Zigarren nicht.«
    Â»Eines Tages unterhalten wir uns über das Höhlengleichnis. Sie haben mich nicht sonderlich beeindruckt. Ich suche mir die Fälle aus, die mich auf hundert bringen. Dieser hier ist es nicht wert, auf hundert zu kommen. Das Einzige, was ich brauche, ist ein Schuldiger. Alles kann man nie wissen.«
    Â»Ich glaube, ich habe das schon mal einem anderen Polizisten erzählt. Wir sind wie Würmer, die über ein Blatt kriechen und neugierig sind, was sich wohl auf der anderen Seite befindet. Was befindet sich dort? Die Rückseite. Und wir kriechen weiter, um zu sehen, was sich hinter der Rückseite befindet. Und was sehen wir dort?«
    Â»Die Vorderseite. Eine schöne Metapher. Von Ihnen?«
    Â»Nein, von Kazantzakis oder von Alexis Sorbas. Egal.«
    Lifante zuckt mit den Schultern und geht in sein Büro. Er tritt ans Fenster und sieht gerade noch, wie der Polizeichef mit schnellen Schritten das Präsidium verlässt, Schritten, mit denen der Dicke, der ihm folgt, kaum mithalten kann. Dem Polizeipräsidenten genügte eine leichte Bewegung mit dem Kopf, um die Wachposten am Eingreifen zu hindern. Er ging zu seinem Wagen. Der Dicke beeilte sich, ihm die Tür aufzuhalten, und bevor er sich zu ihm in den Wagen setzte, versuchte der Dicke ihm die Hand zu geben. Der Polizeipräsident erwiderte den Handschlag.
    Â»Das ist das letzte Mal, dass wir uns sehen, und ich möchte, dass wir uns auf etwas einigen. Ich will nicht wissen, welche Rolle Sie bei alldem gespielt haben, aber ich will auch nicht, dass Sie von nun an irgendeine andere Rolle spielen. Das bleibt eine Straftat unter Obdachlosen, dafür gibt es ausreichend Indizien. Das ist alles. Nichts weiter. Es reicht. Haben Sie mich verstanden?«
    Â»Sie haben das Ehrenwort eines Kadetten der argentinischen Marine.«
    Aquiles hatte die Hand auf sein Herz gelegt. Lifante tritt vom Fenster zurück und komplettiert die Szene im Raum. Cayetano steht mit dem Gesicht eines enthaupteten Lamms da, die Pflichtverteidigerin sitzt auf der Stuhlkante, den Rock über die Knie gezogen, die Tasche schützend mit beiden Händen umklammert. Die Polizisten sind dabei, irgendetwas zu betrachten, etwas Eigenes oder Fremdes, die Fingernägel, einen Wandkalender, das Sonnenlicht auf einer Fassade in der Gasse hinter dem Präsidium.
    Â»Ich diktiere dir jetzt ein Geständnis, Cayetano, ein hypothetisches Geständnis. Wenn es dir gefällt, unterschreibst du es, und wenn nicht, kannst du dich auf deine verfassungsmäßigen Rechte berufen und wir fangen noch mal von vorne an oder überlassen die Angelegenheit dem Richter. Zumindest für Palitas Tod bist du verantwortlich, darauf deutet alles hin, und die Logik der Situation lässt vermuten, dass du auch Rocco auf dem Gewissen hast. Ich verstehe, wir alle verstehen, dass du aus Leidenschaft, großer Wut und berechtigter Empörung heraus gehandelt hast. Spiel nicht den Starken, Cayetano, du bist alles andere als stark, nach allem, was geschehen ist, überlebst du keine zwei Tage auf der Straße.«
    Die Anwältin sprang auf.
    Â»Worauf wollen Sie hinaus, Señor Lifante? Was sind das für Gefahren, mit denen Sie meinen Mandanten unter Druck setzen wollen? Was wissen Sie?«
    Â»Cayetano weiß besser als Sie und ich, dass es ihm auf der Straße schlecht ergehen wird nach allem, was passiert ist. Erklär es ihr, Cayetano.«
    In den Augen des Bettlers blitzt Panik auf, er weint bitterlich und schreit:
    Â»Ich geb alles zu! Ich war’s! Ich war’s!«

27 Du sagtest, du wärst noch ein Mädchen
    Dieste dirigierte das Ende von Doroteas Schminkaktion. Sie fuhr sich mit dem Lippenstift über die zusammengepressten Lippen.
    Sie betrachtete sich im Spiegel.
    Â»Und?«
    Â»Du siehst aus wie eine Nutte, eine alte Nutte. Aber wenn ich einen hochkriegen würde, würde ich dich auf der Stelle vernaschen, meine Hübsche.«
    Â»Mit sechzig ist man nicht mehr hübsch, Idiot. Und wenn du einen hochkriegst, veröffentliche ich das in
La Vanguardia
.«
    Â»Ich lese nur die seriöse argentinische Presse, die man hier bekommt:
Caras, La Maga und Página 12 ...«
    Â»Publikum?«
    Â»Ganz ordentlich, fast voll.«
    Â»Der Galicier?«
    Â»Auch.«
    Â»Auch was?«
    Â»Er ist auch da und er ist auch voll, voll von
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