Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
Vom Netzwerk:
haben Sie keine Angst, vor nichts, Cayetano hat viele Nächte im Freien auf dem Buckel, und im Freien lernt man den Sinn des Lebens kennen, Señorita. Sie haben doch bestimmt Freunde bei der Presse. Junge Journalisten in Ihrem Alter, die noch Moral haben. Können Sie die mobilisieren? Wir Penner haben keine Presse.«
    Lifante verlor allmählich die Geduld, sein Sekretär saß bereits vor der Maschine und wartete auf das Geständnis.
    Â»Du wirst kooperieren, Cayetano, wir haben viel Zeit, und die Sache ist eindeutig. Du und Palita, ihr wart ein, sagen wir, Geschäfts- und Liebesbündnis, als plötzlich dieser Argentinier auftaucht und euch entzweit, du nimmst es hin, bis du irgendwann die Geduld verlierst, dir brennen die Sicherungen durch, du weißt nicht mehr, was du tust.«
    Â»Temporärer Wahnsinn«, schaltete sich Celso Cifuentes ein.
    Â»Denen fällt schon noch was Spektakuläreres ein, Cayetano. Du vegetierst doch eh den ganzen Tag auf der Straße vor dich hin. Die stecken dich höchstens ein paar Jährchen hinter Gitter. Drei? Mehr bestimmt nicht. Du wirst dort wie ein Fürst leben.«
    Cayetano schüttelte den Kopf und präsentierte der Anwältin sein schönstes zahnloses Lächeln. Plötzlich fing er an zu lachen. Dann zu weinen.
    Â»Ich werde verfolgt, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht verhaftet und nackt ausgezogen werde.«
    Â»Nackt? Bist du jetzt etwa nackt? Spielst du dich so auf, weil deine Anwältin im Raum ist?«
    Â»Die ziehen mich jedes Mal aus, Señorita, jeder weiß, dass du im Gefängnis deinen Arsch und auf der Polizeiwache deine Eier schützen musst.«
    Lifante machte der Anwältin ein Zeichen, ihm in eine Ecke des Zimmers zu folgen, wo er wohlwollend auf sie einredete.
    Â»Die Sache ist völlig klar, Señorita. Er hat nicht alles gestanden, weil Sie hier sind. Das Vernünftigste wird sein, wenn Sie ihm raten, mit uns zu kooperieren. Unter uns, das ist ein ziemlich unwichtiger Fall, eine Angelegenheit zwischen Leuten vom Rand der Gesellschaft. Welches Interesse sollten wir haben, diesen armen Kerl in Ketten zu legen? Und der Richter? Der wird ihm keine zehn Minuten widmen.«
    Plötzlich macht Lifante ein besorgtes Gesicht. Über die Schulter der Blondine hinweg sieht er Carvalho durch den Flur laufen. Der Detektiv scheint jemanden zu suchen.
    Â»Entschuldigung.«
    Lifante geht auf ihn zu, bleibt dann aber stehen und lenkt die Aufmerksamkeit des Detektivs mit einem lauten
st!
auf sich, das die gesamte Einheit alarmiert. Carvalho nähert sich dem seltsamen, aus dem Semiologen und der blassen jungen Frau bestehenden Paar.
    Â»Tourismus?«
    Â»Leichen. Die von Pepita de Calahorra schreit zum Himmel. Der Fall wird allmählich zu kompliziert für Sie, Lifante.«

26 Das Höhlengleichnis
    Â»Schon möglich, dass der Fall allmählich zu kompliziert wird für mich. Aber lassen Sie ihn mich kurz zusammenfassen, für Sie, Carvalho, und die Pflichtverteidigerin. Die unglückliche Frau, Helga, das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte, stolpert unversehens über ihre alte Liebe. Die besten Jahre ihres Lebens. Ihre Jugend. Sie ist ein Opfer des Alkohols und er der Metaphysik. Abstrakte und konkrete Ängste, und jetzt kehrt die Pennerin wieder in das Paradies der Jugend, der Reinheit, des Edelmuts zurück, sie entschließt sich, Rocco zu helfen, vielleicht überlegt sie, noch einmal ein neues Leben zu beginnen. Und dann ist sie tot, grausam und mit eiskalter Berechnung ermordet. Schön und gut. Jeder x-beliebige Penner hätte es gewesen sein können, Cayetano zum Beispiel, der so verbittert war, seit der andere aufgetaucht war.«
    Rodríguez schüttelt den Kopf.
    Â»Cayetano hat Rocco geholfen. An dem Nachmittag, als er ihn gesucht hat, war ich bei ihm.«
    Â»Und was hast du da gesehen? Was hast du gehört? Das, was du sehen und hören solltest. Cayetano könnte alles inszeniert haben, um keinen Verdacht zu wecken. Auf jeden Fall ist er ein ernsthafter Kandidat, was die beiden Verbrechen angeht.«
    Â»Und die Besitzerin des La Dolce Vita?«
    Lifante wirft Carvalho einen kurzen Blick zu und antwortet, ohne ihm in die Augen zu sehen:
    Â»Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Überdosis.«
    Â»Die einzige Überdosis, für die Pepita de Calahorra bekannt war, war die an Thunfischbrötchen mit Mayonnaise, Málaga-Wein und alkoholischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher