Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Laboratoriumsuntersuchungen
abgeschlossen waren. Es gab in Carne sonst nichts mehr für ihn zu tun.
    Als der
Zug langsam aus Carne herausfuhr und die vertrauten Wahrzeichen eines nach dem
anderen im kalten Februarnebel verschwanden, wurde Smiley von einem Gefühl der
Erleichterung erfüllt. Er hatte nicht kommen wollen, das wußte er. Er hatte
sich vor dem Ort gefürchtet, wo seine Frau ihre Kindheit verbracht, sich vor
den Feldern gefürchtet, wo sie gelebt hatte. Doch er hatte nichts gefunden,
nicht das leiseste Andenken, weder in den leblosen Umrissen von Schloß Sawley
noch in der umgebenden Landschaft, nichts, was ihn an sie erinnert hätte. Nur
der Klatsch blieb übrig, wie es nur zu selbstverständlich war, solange die
Hechts und Havelocks weiterlebten, um mit ihrer Bekanntschaft mit der ersten
Familie von Carne zu protzen.
     
    Er nahm
ein Taxi nach Chelsea, trug seinen Koffer nach oben und packte ihn mit der
Sorgfalt eines Mannes aus, der allein zu leben gewohnt ist. Er dachte daran,
ein Bad zu nehmen, entschied jedoch, zuerst Ailsa Brimley anzurufen. Das
Telefon stand neben seinem Bett. Er setzte sich auf die Bettkante und wählte
die Nummer. Eine blecherne Stimme sang »Unipress, guten Abend«, und er fragte
nach Miss Brimley. Es gab ein langes Schweigen, und dann: »Ich bedaure, Miss
Brimley ist in einer Konferenz. Kann jemand anderes Ihre Anfrage beantworten?«
    Anfrage,
dachte Smiley. Guter Gott! Warum in aller Welt Anfrage, warum nicht Frage oder
Erkundigung?
    »Nein«,
sagte er. »Sagen Sie nur, Mr. Smiley habe angerufen.« Er legte den Hörer auf,
ging ins Badezimmer und drehte den Heißwasserhahn auf. Er zerrte an seinen
Manschettenknöpfen, als das Telefon klingelte. Es war Ailsa Brimley.
    »George?
Ich glaube, du solltest am besten gleich herüberkommen. Wir haben einen
Besucher. Mr. Rode aus Carne. Er möchte mit uns sprechen.«
    Er zog
seine Jacke an, rannte auf die Straße und rief ein Taxi.
     
    EINE
LEGENDE WIRD ZERSTÖRT
     
    Die von
oben kommende Rolltreppe war gedrängt voll von Angestellten der Unipress. Sie
waren mit müden Augen auf dem Heimweg. Der Anblick eines beleibten Herrn
mittleren Alters, der die Treppe daneben hinaufstürmte, bereitete ihnen
unerwartete Unterhaltung, so daß Smileys Aufstieg durch das Gespött von
Bürojungen und das Gelächter von Stenotypistinnen beschleunigt wurde. Im ersten
Stock hielt er an, um eine riesige Tafel zu studieren, auf der die Titel eines
Viertels aller Tageszeitungen des Landes angeführt waren. Schließlich entdeckte
er unter der Überschrift »Technik und Diverses« die »Christliche Stimme«,
Zimmer 619. Der Lift schien sehr langsam nach oben zu gehen. Hinter seinem
Plüsch strömte formlose Musik hervor, zu deren kräftigeren Takten ein Boy in
einer Affenjacke mit den Hüften zuckte. Dann teilte sich die goldene Tür mit
einem Seufzer, der Boy sagte »Sechster Stock«, und Smiley trat schnell in den
Korridor. Kurz danach klopfte er an die Tür von Zimmer 619. Ailsa Brimley
öffnete ihm.
     
    »George,
wie nett«, sagte sie fröhlich. »Mr. Rode wird sehr entzückt sein, dich zu
sehen.« Und ohne weitere Einleitung führte sie ihn in ihr Büro. In einem Sessel
nahe am Fenster saß Stanley Rode, Lehrer in Carne, in einem ordentlichen
schwarzen Mantel. Als Smiley eintrat, stand er auf und streckte ihm die Hand
entgegen.
    »Nett, daß
Sie gekommen sind, Sir«, sagte er steif. »Sehr nett.« Dieselbe farblose Art,
dieselbe vorsichtige Stimme.
    »Was kann
ich für Sie tun?« fragte Smiley.
    Sie
setzten sich alle. Smiley bot Miss Brimley eine Zigarette an und gab ihr Feuer.
    »Es ist
wegen dieses Artikels, den Sie über Stella schreiben«, begann Rode. »Ich habe
wirklich ein schlechtes Gefühl dabei, weil Sie so gut zu ihr und ihrem Andenken
gewesen sind, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich bin überzeugt, Sie meinen es
gut, aber ich möchte nicht, daß Sie ihn schreiben.«
    Smiley
sagte nichts, und Ailsa war klug genug, sich still zu verhalten.
    Von nun an
war es Smileys Unterredung. Ihn störte das Schweigen nicht, aber Rode schien es
zu bedrücken.
    »Es wäre
nicht richtig; es wäre ganz unpassend. Mr. Glaston stimmte zu; ich sprach
gestern vor seiner Abreise mit ihm, und er stimmte zu. Ich könnte Sie einfach
das Zeug nicht schreiben lassen.«
    »Warum
nicht?«
    »Zu viele
Leute wissen Bescheid. Der arme Mr. Cardew, ich habe ihn gefragt. Er weiß eine
Menge, und auch eine Menge über Stella, daher fragte ich ihn. Er versteht auch,
warum ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher