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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein
Autoren: Linda Barnes
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du dir die Schwester angesehen?»
    «O ja.»
    «Vielleicht hat sie ihn
allsonntäglich zweimal in die Kirche gejagt. Oder er ist einfach nur über die
Stränge geschlagen», sagte Gloria. Es klang, als wollte sie sich selbst etwas
einreden.
    «Ist er mit jemandem befreundet?
Mit dem er zusammensein könnte?»
    «Sie hängen alle zusammen»,
sagte sie. «Bei allem möglichen. Du erinnerst dich doch sicher noch an die
Clique, mit der er immer loszog.»
    Ich lächelte. «Old Geezers, die
alten Käuze, nicht? Nannten wir sie nicht so?»
    «Richtig. Eugene Devens, Sean
Boyle, Joe Fergus, Dan O’Keefe, Pat O’Grady, alles alte Iren. Joe Costello ist
auch mit von der Partie, aber ich weiß nicht, was Costello für ein irischer
Name sein soll. Sie hängen jetzt enger zusammen durch all die neuen Fahrer. Ich
meine, für die Iren waren die russischen Juden schon schlimm genug. Jetzt
stoßen immer mehr Haitianer, Jamaikaner und Afghanen dazu. Devens und seine
Kumpel betrachten sich als die letzten echt amerikanischen Taxifahrer. Sie
hocken zusammen, saufen und jammern, das ganze Gewerbe sei bald zum Teufel.»
Sie lächelte ihr hinterhältiges Lächeln. «Komisch, bei mir meckern sie nicht
viel. Vielleicht denken sie, ich sei voreingenommen. Was sagst du dazu?»
    Bei Gloria beklagt sich kaum
einer. Erstens kann sie so ätzend sein, daß sie eigentlich bei der
Atomkontrollbehörde registriert sein müßte, und zweitens hat sie drei Brüder,
die für sie durch dick und dünn gehen, einer größer und hartgesottener als der
andere. Der kleinste und netteste wurde aus dem nationalen Fußballverband
herausgeworfen, weil er irgendeinem Typen ein Ohr abgebissen hat, wie das
Gerücht geht. Die Brüder hatten das Zimmer hinter der Garage mit allem
überhaupt erhältlichen elektrischen Schnickschnack ausgestattet. Überall Kabel
und Motoren. Und allenthalben Flaschenzüge, Leitern und Metallhebel und — griffe,
damit sie sich hochziehen und an den Kühlschrank oder Herd kann. Aus der
schmutzigen Garage in Glorias High-Tech-Zimmer und — Bad zu kommen ist so, als
galoppiere man nonstop aus dem 19. Jahrhundert geradewegs ins 21.
    «Was ist mit Pat?» sagte ich.
«Hast du Pat gefragt, wo Eugene sein könnte? Er war doch immer in jede kleine
Intrige eingeweiht.»
    «Pat ist weg, Carlotta, schon
etwa sechs Monate. Krebs. Operation, Chemotherapie und das ganze Zeugs.»
    «Mist.» Im Grunde waren die
übrigen alten Käuze nur durch Pat mit seiner Selbstironie und seinem ewigen
Grinsen einigermaßen zu ertragen gewesen. «Hast du die Jungs überhaupt gefragt,
wo Eugene hin ist? Hast du Boyle gefragt?»
    Ich wartete, bis Gloria wieder
ein Telefongespräch beendet hatte. Sie runzelte die Stirn, als sie auflegte.
«Hör zu, Carlotta, ich hoffe, daß die ganze Sache nur Schall und Rauch ist.
Könnte nämlich sein. Ich habe alle Käuze über Gene ausgefragt, und ich sage
dir, sie machen sich keine Sorgen. Sie sind ein bißchen, wie soll ich sagen,
seltsam drauf und aufgeregt, und sie reden keinen Stuß. Er könnte doch mit
einer Frau durchgegangen sein, einer, die seine Schwester auf den ersten Blick
gehaßt hätte, irgend so ein Teeny, liebe Güte noch mal. Ich weiß nur, daß er
weg ist.»
    «Hat er seinen letzten Lohn
abgeholt?»
    Gloria starrte auf die
Schreibtischplatte. «Wir schulden ihm noch zwei Tage.»
    «Das gefällt mir nicht
besonders.»
    «Wir heben’s für ihn auf.»
    «Hat er irgend etwas
zurückgelassen?»
    Das Telefon piepte, und Gloria
zog ihre Schau ab. Bis sie den Hörer einhing, hatte ich meine Frage neu
formuliert.
    «Was hat er hiergelassen,
Gloria?»
    Sie wühlte erst eine Weile in
ihrer Tasche nach Plätzchen, holte eine Packung Peanutbutter-Kekse heraus und
dann einen Beutel Marshmallows. Ich bezweifle, daß sie darin Platz hat für
Schlüssel, Geldbörse oder Kamm. «Also», sagte sie schließlich, «seiner
Schwester habe ich nichts von seinem Spind erzählt.»
    Ich zog nur meine Augenbrauen
hoch.
    «Ach, ich weiß nicht, Carlotta.
Teufel noch mal, sie sah so süß aus, weißt du, weiße Handschuhe und
Blumenhütchen. Ich dachte mir, sie würde ihn bestimmt aufknacken und
irgendwelches Zeug finden, das sie für den Rest seines Erdenlebens gegen ihn
verwenden konnte. Kondome zum Beispiel und anderes Sündhaftes mehr.»
    «Ich würde es ihm nicht
übelnehmen, Glory.»
    «Ich habe keinen Schlüssel.»
    «Habt ihr einen
Seitenschneider?»
    «Das wird ihm gar nicht
gefallen, wenn er zurückkommt.»
    «Wenn er zurückkommt,
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