Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein
Autoren: Linda Barnes
Vom Netzwerk:
haben,
war Eugene Devens in keinem der Ortskrankenhäuser zu finden. Wenn er sich nicht
gerade das Standardleiden für solche Fälle zugezogen hatte—Gedächtnisschwund
war er gesund und ging eigene Wege.
    Gedächtnisschwund. Wenn ich Red
Emma sanft auf den Kopf klopfte, löste sich ihre frühere Existenz als Fluffy
vielleicht in Wohlgefallen auf. Sie würde ins Wellensittich-Kindheitsstadium
zurückfallen, und ich könnte sie endlich weiter in dem unterrichten, was Paps und
ich die «Reden der Vorsitzenden Mam» zu nennen pflegten.
    Eine gute Nachricht. Ich war
zum Leichenschauhaus durchgekommen, und sie hatten keine liegengebliebenen
Leichen, die Eugene Devens ähnlich gesehen hätten.
    «Wellensittiche aller Länder,
vereinigt euch!» sagte ich zu dem Sittich. «Ihr habt nichts zu verlieren als
euren Kopf.»
    «Fluffy will ‘n Keks»,
erwiderte er hoffnungsvoll.
    Ich merkte, daß wir eine
Sackgasse erreicht hatten, sagte gute Nacht, steckte ihn in den Käfig zurück
und ließ die Haube herunter, die für sofortige Dunkelheit sorgte. Dieser Vogel
hat genau die Stimme meiner verstorbenen Tante Bea. Er ist auch genauso
eigensinnig. Manchmal ist es direkt gespenstisch.
    Ich stellte T. C. sein Futter
hin, zog eine Windjacke über mein Grateful-Dead-T-Shirt und untersuchte meine
Jeans. Beide Knie heil. Ich vergewisserte mich, daß überall Licht brannte, ehe
ich fortging. Die Einbrecher sollen nicht stolpern. Ich lasse auch das Radio
plärren, da T. C. nicht gerade ein guter Wachkater ist.
    Es kam wohl einige Lauferei auf
mich zu für Margaret Devens’ Tausender. Lauferei, der ich mit gemischten
Gefühlen entgegensah.
    Mein alter roter Toyota sprang
beim zweiten Startversuch an. Ich mag das Auto, das erste, das ich je gekauft
habe, und immer noch munter. Meine Liebe zu Rot lasse ich am Auto aus. Autos
brauchen nicht zum Haar zu passen.
    Green & White ist kein
besonders gut florierendes Unternehmen. Es liegt eingebettet zwischen Händlern,
die Autoglas zu Niedrigpreisen anbieten, und einer Reihe von Gebraucht-Teppich-Läden,
die an der alles andere als schönen Massachusetts Pike liegen. Die Garage ist
aus häßlichen gelben Ziegeln, die Inneneinrichtung im Stil der frühen
Altölzeit. Acht Taxen können drinnen parken, solange niemand irgendwelche Türen
öffnen muß. Es gibt eine Hebebühne für den Fall, daß der Mechaniker vom Ehrgeiz
gepackt wird. Der Mechaniker, den sie zu meiner Zeit hatten, brachte kaum
soviel Ehrgeiz auf, um die Blätter des Kalenders mit spärlich bekleideten
Mädchen umzuschlagen.
    Das Büro ist das Glanzstück.
Die beiden Zwei-mal-ein-Meter-Fenster sind noch nie geputzt worden. Wenn man
das nicht weiß, denkt man glatt, sie wären aus Milchglas. Die linke Jalousie,
eine Ansammlung schwarzer, von vergilbtem Klebeband dreifach unterteilter
Schmutzstreifen, wird an Häßlichkeit nur von der rechten überboten, die noch
dreckiger und total kaputt ist, so daß die Rippen alle nach links
herunterhängen. Ein Brett voller Autoschlüssel ist der attraktivste
Einrichtungsgegenstand. In die Ecken guckt man lieber nicht.
    Ich hatte hier einen
Teilzeitjob, als ich an der Uni von Massachusetts in Boston mein
Soziologiestudium abschloß. Dabei habe ich gelernt, in der Stadt herumzukommen,
ohne jemals an einer roten Ampel anhalten zu müssen. Außerdem bin ich dadurch
vorm Kellnern bewahrt worden, was auch nicht schlecht war, da ich nie etwas
dafür übrig hatte, mich herumkommandieren zu lassen.
    Ich habe nachts gearbeitet. Von
elf bis sieben klang die Stimme von der Zentrale so weich und edel, daß es eine
Freude war, die Knatterkiste abzuhören. Ich wette, eine Menge Aufträge hatten
wir nur durch Kerle, die rein zum Vergnügen unsere Nummer wählten, um die sexy
Altstimme sagen zu hören, sie würden in fünf Minuten abgeholt. Ich lernte die
Besitzerin der Stimme erst nach Monaten kennen, als ich mir schon ein Bild von
der Person gemacht hatte.
    Ich hatte sie mir immer schwarz
vorgestellt. Eine tiefe, etwas rauchige Stimme, die mich an Gospelsänger und
Feuer-und-Schwefel-Prediger denken ließ, bestärkte mich in dieser Idee. In
meiner Vorstellung war sie groß, schlank und höllisch exotisch, und sie atmete
schwer ins Mikrofon wie ein Motown-Rhythm & Blues-Star.
    Ihre Hautfarbe war das einzige,
womit ich recht hatte.
    Gloria. Ihre ungeheure
Körperfülle haute mich glatt um. Ganz zu schweigen von dem Rollstuhl. Also
wirklich, die leise erotische Stimme ließ auf nichts anderes als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher