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Cap San Diego

Cap San Diego

Titel: Cap San Diego
Autoren: Oliver Dierssen
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geschieden, ein einzelner, übergewichtiger Trabant in der Umlaufbahn einer Marke, die Fanclubs in zweiundzwanzig Staaten hat. Ich bin der Weltenwächter mit den weiten Pupillen und dem vierten oder fünften schlecht gezapften Bier in der Hand.
     
    Sascha Lobo, der sich durch die Stehparty einen Weg auf den leeren Clubsessel neben mir bahnt, ist der mit der Frisur .
    Sie wissen schon, der bekannte Blogger, genau der, Schnauzbart und roter Irokesenschnitt und schwarzer Anzug, mehr als fünfzehn Mal als Interneterklärer bei Maybrit Illner gewesen, er berät den Berliner Senat, ein wandelndes Markenzeichen, saschalobo.com auf stämmigen Beinen. Ich kenne ihn aus dem Fernsehen.
    Sascha Lobo lässt sich schwerfällig neben mir nieder, stellt ein Glas Rotwein auf die niedrige Tischkante und legte einen Roman daneben. Das Cover ziert eine rote Irokesenfrisur. Es ist ein Saschaloboroman.
    „Hallo“, sagt Sascha Lobo. „Ihr seid hier die Fantasyleute, ja?“
    „Fantasy“, sage ich. „und Science Fiction.“
    Keiner der anderen Fantasyautoren blickt auf. Sie wissen alle, wer Sascha Lobo ist und dass er sich einem ständig im Fernsehen aufdrängt und dass man ihn nicht zwingend mögen muss und ihm besser aus dem Weg geht.
    Sascha Lobo lächelt mich unverbindlich an. Er scheint tatsächlich keine Ahnung zu haben, wer ich bin. Das gibt mir Kraft, das erfüllt mich mit außerordentlichem Vergnügen!
    „Fantasy möchte ich auch mal schreiben“, sagt Sascha Lobo. 
    Tu es nicht , will ich sagen.
    „Nur zu, ist nicht schwer“, nuschele ich stattdessen und schiele auf seinen Roman. Das Cover erstrahlt im schönsten, klarsten Popliteraturblau, wuchtig gehämmerte Buchstaben, in der Ecke ein popliteraturroter Haarschopf. STROHFEUER. Ein schöner Titel für ein hübsches Büchlein.
    „Ich bin der Sascha“, sagt Sascha Lobo und klopft auf den Deckel seines Romans. „Und – was machst du so?“
    Ich überlege flüchtig, Sascha Lobo zu erzählen, ich sei nur zufällig hier, sei ganz fasziniert vom Literaturbetrieb, sei neu in der Branche. Vielleicht ein Journalist, der sich ein Bild von der Fantasy- und Science-Fiction-Szene machen will. Seit drei Tagen ist Sascha Lobo nämlich das erste Gesicht, das mich freundlich und unverbindlich anschaut,  nichtswissende Höflichkeit. Ihn umgibt ein Hauch der Arroganz von Menschen, die meinen, ihre Gegenwart sei ein automatischer Mehrwert für die Umstehenden. Er hat keine Ahnung von einskommafünfmillionen Weltenwächtern .
    Sascha Lobo erzählt vom ZDF, von Maybritt Illner. Er hat keine Angst. Vor nichts. Vor niemandem. Nicht vor dem Fernsehen, nicht vor der Zeitung. „Wenn der Roman scheiße ist“, sagt er und klopft auf sein schickes, blaues Saschalobohardcover, „dann lese ich das wohl nächste Woche im Spiegel. Ist auch egal. Schreibe ich halt keinen mehr. Obwohl es echt Arbeit gemacht hat.“
    Ich nicke beifällig.
    Vielleicht sind so die neuen Erfolgsmenschen, überlege ich. Keine Scheu vor der Öffentlichkeit, keine Angst vor Niederlagen, kein Festhalten der Momente, einfach nur eine endlose Aneinanderreihung zusammenhangloser Momente, Visionen, Fernsehübertragungen. Da ist kein größeres Ganzes, da ist kein Gesamtwerk. Nur eine Folge bunter Bilder.
    Wie anders ich bin.
    „Man müsste die Fantasy neu erfinden, einfach mal was anderes machen, was es noch nicht gibt, nicht so mit Elfen und Trollen und so, ganz was Neues“, schwärmt Sascha Lobo und mustert mich eindringlich. „Bist du vom Verlag?“
    Ich bemühe mich um ein unauffälliges Nicken, schiebe mir das Weinglas zwischen die Zähne und versuche, das Rauschen des Meskalins in meinen Gehörgängen zu unterdrücken. Vom Verlag, natürlich, das passt zu mir, ein müder Mann kurz nach den besten Jahren, der zu viele Manuskripte gesehen hat.
    Sascha Lobo hat einnehmendes Gesicht mit den Augen eines wohlwollenden älteren Herrn, dem Schnauzbart eines Motorradbastlers und der Frisur eines Kaktus. Rote, fleischige Kakteenblätter.
    ( Zwei endlose Tage und Nächte mit Claudia in einem werksneuen feuerroten Buick Reatta Convertible, Baujahr 1989, in Tucson, Arizona. Verlorene Traveller Cheques. Kinderzeugen mit offenem Verdeck. Wir essen Meskalin, wie andere Ferrero Küsschen essen. Der Himmel über der Wüste ist leer und kalt. Kein Weltenwächter sieht uns zu. 1989, sieben Jahre, ehe sie mich aufgespürt haben. )
    „Du siehst wirklich müde aus“, sagt Sascha Lobo und reißt mich aus den bunten Meskalingedanken. Er
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