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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition)
Autoren: Harald Friesenhahn
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wieder instand gesetzt werden würde. Wenn dann der Tote gefunden würde, wären die Wagners natürlich die Hauptverdächtigen.
    Der Leichnam musste aus dem Haus, aber wohin? Raus auf die Straße war viel zu gefährlich. So blieb Karl nur eine halbwegs sinnvolle Alternative. Er musste den Russen in den Innenhof schaffen. Der Hof war weiträumig und von vier Häusern aus zugänglich. Leider hatten die Bewohner kurz vor Weihnachten den gesamten Platz von Schutt und Trümmern gesäubert. Unter einem solchen Trümmerhaufen hätte Karl die Leiche gut vergraben können. So musste er den Toten bis zu dem dichten, dürren Gebüsch schaffen. Mit dem Nachteil, dass der Russe spätestens morgen bei Tageslicht gefunden werden würde. Karl musste dafür sorgen, dass kein Verdacht auf ihn fallen konnte.
    Er hängte sich das Mosin-Nagant-Gewehr, das der Soldat nicht mehr zu fassen bekommen hatte, über die Schulter. Dann drehte er den Leichnam auf den Rücken. Karl würgte ein paarmal und kämpfte damit, sich nicht übergeben zu müssen. Die Küche stank nach einer üblen Mischung aus Alkohol und dem süßlichen Geruch des Blutes. Der Tote sah fürchterlich aus. Im trüben Licht der Kerze sah Karl eine klaffende Wunde im Gesicht des Rotarmisten. Quer über die Stirn, bis zur Nase hin, war die Haut aufgerissen. Das mittlerweile geronnene Blut war schwarz und hatte sich über das ganze Gesicht und die Oberbekleidung verteilt. Der erschlaffte Penis des Gewalttäters lugte immer noch aus dem Hosenschlitz. In Karl sträubte sich alles dagegen, diesen Schwanz anzufassen und ihn in die Hose des Soldaten zu stecken. Er fasste den Toten mit festem Griff am Kragen seines Wintermantels und schleifte ihn auf den Gang. Nur gut, dass der Mantel am Rücken nicht blutig ist, dachte er. Vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, zog er die Leiche Meter für Meter hinter sich her. Immer wieder hielt er inne und hob den Kopf, um zu lauschen, ob da irgendwelche verdächtigen Geräusche waren. Langsam schleppte Karl den Russen die Treppen hinunter. Er witterte nochmals und zerrte ihn dann in den Innenhof, zog ihn bis hinter das dichte Gebüsch. Der gefrorene Boden kam ihm zugute, denn er hinterließ keine Schleifspuren. Er nahm das Gewehr von der Schulter und warf es neben den Toten. Trotz der bitteren Kälte und dem tosenden Sturm schwitzte er wie ein Schwein. Der Russe wog sicherlich um die 85 Kilo. Es hatte ihm alle Kraft gekostet. Breitbeinig stand er über der Leiche und atmete schwer. In seinem Kopf spielte er durch, wie das Szenario für denjenigen aussehen würde, der den Tod des russischen Soldaten untersuchen würde. Er war zufrieden. Der Soldat könnte hier beim Pinkeln überfallen und erstochen worden sein. Der Täter konnte ein Kamerad, ein Schwarzhändler oder sonst wer gewesen sein. Karl fand nichts, was auf ihn oder seine Mutter hinweisen könnte.
    Plötzlich fiel ihm ein, dass er das Messer entsorgen musste, das er auf den Küchenboden geworfen hatte. Die abgebrochene Messerspitze konnte ihn überführen. Auch das Blut in der Wohnung musste er gründlich aufwischen, für den Fall, dass die Russen Hausdurchsuchungen machen würden. Als er alles überdacht hatte und keinen Fehler entdecken konnte, wich die Anspannung aus seinem Körper. Karl war körperlich und geistig am Ende. Instinktiv sah er sich um, aber außer dem Heulen des Sturmes war nichts zu hören. Finsterste Nacht lag über dem Innenhof, auch die Fenster der umliegenden Häuser waren ausnahmslos verdunkelt. Er machte sich auf den Rückweg, denn er hatte noch einiges zu tun. Vorsichtig schlich er hinter den Büschen hervor und bewegte sich in Richtung seines Hauses.
    Plötzlich stockte er. Da war es wieder, dieses Gefühl. Er lauschte in die stürmische Nacht, aber außer dem Getöse des Sturms war da nichts. Er war noch etwa 15 Meter vom Stiegenhaus entfernt. Und er wusste, dass in diesem schrecklichen Dunkel etwas auf ihn lauerte, aber er hatte keine Ahnung, was es war. Karl entschied, die kurze Distanz im Laufschritt zurückzulegen, hastete los. Als er die Hausecke erreichte, traf es ihn wie ein Keulenschlag.
    „Stoi!“
    Karl erstarrte zur Salzsäule. Der schneidende, laute Befehl ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Im nächsten Augenblick traf ihn ein gleißender Lichtstrahl mitten ins Gesicht. Karl kniff seine geblendeten Augen zusammen und senkte den Kopf.
    „Stoi!“, wiederholte die scharfe Stimme, und Karl wagte nicht, sich zu bewegen. In seinem Kopf drehten
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