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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition)
Autoren: Harald Friesenhahn
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schrubbte den Küchenboden. Dann säuberte er das Messer und brach die Klinge am Schaft ab. Die Fetzen, mit denen er das Blut aufgewischt hatte, wrang er aus und spülte sie mit viel Wasser aus. Dann steckte er sie in die Manteltasche. Er packte auch Klinge und Schaft des Messers in seine Taschen. Als er fertig war, ging er zur Eingangstür. Mit einem langen Blick vergewisserte er sich, dass alles in Ordnung war, löschte die Kerze und verließ die Wohnung.
    Karl eilte die Treppe zum Dachboden hinauf und ging zu dem Versteck. Auf dem schmalen Zugang hielt er kurz inne und warf die abgebrochene Klinge in den unter ihm liegenden Trümmerhaufen. Den Holzgriff des Messers und die Fetzen sollte Mutter im Ofen verbrennen und das Stahlstück des Messergriffs später, im Lauf der nächsten Woche, mit dem Hausmüll entsorgen. Karl klopfte zweimal an die Tür der Dachwohnung. Seine Mutter öffnete ihm, und er trat wortlos ein.
    „Karl, ist alles in Ordnung?“, fragte Frieda. „Du warst so lange weg. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“
    „Alles wird gut, Mama“, beruhigte Karl seine Mutter und nahm sie in die Arme. „Keine Angst, alles wird gut.“
    Er blickte sich im Raum um und sah, dass die kleine Elisabeth, dick eingemummt in warme Decken, bereits schlief. Karl war erleichtert, denn was er zu sagen hatte, sollten nur die beiden Frauen hören. Elsa Bittner saß am Fußende des Bettes ihrer Tochter und weinte lautlos. Karl bat die beiden Frauen an den kleinen Tisch.
    „Frau Bittner, Mama, setzt euch, ich muss mit euch reden“, eröffnete er das Gespräch.
    „Karl, was ist denn los? Ist doch etwas passiert?“, fragte Frieda besorgt, ob der ernsten Stimme ihres Sohnes. Elsa trocknete ihre Tränen und setzte sich wortlos dazu, ohne Karl direkt anzusehen. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
    „Frau Bittner, hat Ihnen Mutter alles erzählt?“, fragte Karl mit sachlicher, klarer Stimme.
    „Ja“, flüsterte die Nachbarin. „Das ist ja so schrecklich, so furchtbar.“
    „Gut, dass Sie Bescheid wissen“, sagte Karl und sah erst Elsa, dann seiner Mutter mit festem, entschlossenem Blick in die Augen.
    „Ich habe den Russen in den Hof, hinter das Gebüsch geschleppt und alle Spuren beseitigt. Im Stiegenhaus gibt es keine Hinweise auf uns, und das Blut in der Wohnung habe ich aufgewischt.“ Er griff in die Manteltasche, nahm die Fetzen und den Messergriff heraus und übergab sie seiner Mutter mit der Anweisung, wie sie damit verfahren sollte.
    „Leider bin ich beim Rückweg einer russischen Streife in die Arme gelaufen“, fuhr Karl fort. Seiner Mutter entfuhr ein leiser Aufschrei, sie schlug die Hände vor den Mund. Elsa Bittner sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    „Es ist nichts passiert, aber der Russe hat meinen Ausweis kontrolliert“, erklärte Karl den entsetzten Frauen. „Ich glaube, er hat sich meinen Namen und mein Gesicht gemerkt. Wenn die den Toten morgen finden, bin ich der Hauptverdächtige. Dann haben sie mich. Das überlebe ich nicht.“
    Die zwei Frauen schauten ihn entgeistert an. Sie hörten zwar seine Worte, aber die Tragweite seiner Ausführungen konnten sie nicht auf Anhieb verstehen.
    „Ich habe nur eine Chance. Und ihr beide müsst exakt das machen, was ich euch jetzt sage. Ist das klar?“
    Die beiden Frauen nickten.
    „Mama, heute ist Freitag. Du bleibst bis Montag hier oben, denn die Russen werden nach mir suchen. Frau Bittner, Sie wissen von nichts, haben weder etwas gehört noch gesehen. Wenn die Russen nach mir fragen, sagen Sie, dass Sie mich vor drei Tagen das letzte Mal gesehen haben und keine Ahnung haben, wo ich sein könnte. Elisabeth erzählen Sie am besten gar nichts, dann kann sie uns nicht verraten. Wenn die Soldaten nach Mutter fragen, sagen Sie, dass sie zu einer Freundin aufs Land fahren und übers Wochenende bleiben wollte.“ Karl wandte sich seiner Mutter zu. „Mama, wenn sie dich am Montag befragen, erzählst du ihnen ebenfalls diese Geschichte. Sie werden das nicht nachprüfen, da sie nur auf mich scharf sind. Sie werden wissen wollen, wo ich bin. Aber das weißt du nicht, denn du hast mich am Donnerstag, bei deiner Abreise, das letzte Mal gesehen. Sollten sie nach deinem verletzten Gesicht fragen, erzählst du ihnen, dass du auf einer Eisplatte ausgerutscht bist. Und verbrenn auch die Kleider, die dir das Schwein zerrissen hat.“
    Frieda sah ihren Sohn mit großen Augen an, und er bemerkte, dass ihr Verstand seine Worte nur langsam
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