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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition)
Autoren: Harald Friesenhahn
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Sinne. Ihre Muskeln zuckten, ihre Beine versagten. Während sie zusammensackte, klammerte sich eine starke Hand um ihren Körper und verhinderte den Sturz auf den Gehsteig. Gleichzeitig presste eine andere Hand ein Tuch gegen Mund und Nase und dämpfte ihren Aufschrei zu einem Wimmern. Halb besinnungslos nahm sie den starken, vertrauten Geruch von Chloroform war. Vergeblich versuchte sie, ihren Kopf aus der Umklammerung zu befreien. Irgendwie registrierte sie, dass sie in einen Kastenwagen gezerrt wurde, dann raubte ihr das Chloroform die Sinne.
    Als sie langsam wieder zu sich kam, war sie orientierungslos. Einen Augenblick lang dachte sie, in ihrem Bett zu liegen und aufzuwachen. Aber da war dieser Druck am Hals, den sie nicht zuordnen konnte. Sie öffnete die Augen. In der Dunkelheit konnte sie nichts erkennen. Langsam kam ihr Körpergefühl zurück, und sie spürte ihre unnatürliche Haltung. Sie stand barfüßig, den Oberkörper über eine Stahlstange gebeugt. Ihre Beine waren gespreizt und durch Fußfesseln bewegungsunfähig. Die Arme waren hinter ihren Rücken gebogen und gefesselt. Und ihr Hals steckte in einem stählernen Pranger.
    Plötzlich erinnerte sie sich an den Überfall. Sie versuchte zu schreien. Und jetzt erst merkte sie, dass ihr Mund verklebt war. Sie spürte den Druck des Klebebandes, das um ihren Kopf gewickelt war. Panik erfasste sie, sie riss und zerrte an ihren Fesseln. Vergeblich, sie konnte nichts an ihrer Lage ändern. Die Fesseln hielten sie grausam fest. Sie zitterte vor Angst. Ihre Arme schmerzten bis zu den Schultergelenken. Die Hände waren nicht nur mit Handschellen gefesselt, sondern zusätzlich mit einem Seil oder einer Kette in die Höhe gezogen. Wirre Gedanken jagten durch ihr Gehirn, die Angst raubte ihr fast den Verstand. Kalte Schauer liefen über ihren Rücken. Und ihr war übel, vom Chloroform.
    Die zuschlagende Autotür durchbrach die Stille. Sekunden später startete der Motor. Jetzt erinnerte sie sich, dass sie in irgendeinen Wagen gezerrt worden war. Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung. Sie wurde ein wenig hin- und hergeschüttelt, aber die strammen Fesseln hielten sie gnadenlos fest. Sie fühlte sich wie ein festgezurrtes Transportgut. Verzweifelt wand sie sich in ihren Fesseln, versuchte, sich zu befreien. Sie hatte keinen Zentimeter Bewegungsfreiheit. Sie wimmerte und schluchzte. Und sie hatte Todesangst.
    Mühevoll zwang sie sich, ihre Gedanken zu ordnen. Warum ausgerechnet sie? War der Mann ein Sexstrolch, ein Mörder? Wollte er ihr Geld? War es ein Racheakt? Auf all diese Fragen fand sie keine vernünftige Antwort. Plötzlich kam ihr eine Idee. Da sie noch alle Kleider am Leib trug, war es vielleicht doch kein Sexualtäter. Sie schöpfte Hoffnung. Vielleicht war das eine Entführung, und der Täter hatte sie verwechselt. Wenn er seinen Irrtum bemerkte, würde er sie freilassen, denn sie hatte sein Gesicht nicht gesehen.
    Der Geruch des Chloroforms ließ nach. Seltsam – als Krankenschwester wusste sie, dass moderne Narkosemittel wie Sevofluran oder Desfluran wesentlich wirksamer waren und nachhaltiger wirkten. Chloroform wurde schon seit Jahrzehnten nicht mehr verwendet. Langsam vermischte sich der flüchtige Geruch des Chloroforms mit einem anderen, den sie nicht sofort zuordnen konnte. Sie schnupperte, und plötzlich wusste sie, wonach es roch. Nach Plastik. Ihr Kopf steckte in einem großen Plastiksack, der am Hals mit einem Eisenring zusammengezogen war. Panik ergriff sie. Angst, erstickt zu werden. Wie von Sinnen sog sie Luft durch ihre Nasenflügel, merkte, dass sie ausreichend atmen konnte. Der Sack musste eine Öffnung haben. Vielleicht sollte sie den Entführer nur nicht sehen können. Ihre Zuversicht, dass der Vorfall nur eine Verwechslung war, wuchs.
    Plötzlich hielt der Wagen an. Das Motorgeräusch erstarb. Sie hörte die Autotür zufallen. Dann herrschte Ruhe, beklemmende Ruhe, die endlos dauerte. Sie hoffte, dass ihr Entführer käme und seinen Irrtum bemerkte. Sie wollte nach Hause. Diesen Albtraum vergessen. Nach Hause, ein Bad nehmen und schlafen. Alles vergessen.
    Das ruckartige Geräusch der sich öffnenden Autotür durchbrach die Stille. Sie erschrak und hielt den Atem an. Plötzlich wurde es hell in ihrem Gefängnis. Sie riss die Augen auf, versuchte sich zu orientieren. Jetzt bemerkte sie, dass ein milchig transparenter, gelber Sack über ihren Kopf gestülpt war. Wie er in jedem Haushalt für die Sammlung von Plastikmüll verwendet wurde.
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