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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini
Autoren: Pennacchi Antonio
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Pontinische Acker« war eingestürzt, kann man sagen. Aprilia komplett dem Erdboden gleichgemacht – noch nicht einmal sieben Jahre zuvor war es erbaut worden, ein Schmuckstück der Architektur, ich wiederhole es, und die Architekten waren Juden gewesen, ihre Kinder in Mauthausen umgekommen –, und dem Erdboden gleichgemacht fast alle Höfe des Agro Pontino. Die Felder überschwemmt. Die ganze Küste vermint. Die Binnenseen im Küstengürtel wieder versumpft. Die Anophelesmücken waren außer sich, bei der Abstinenz, zu der sie vorher, während der zwölf Jahre der ersten Trockenlegung, verurteilt gewesen waren, trieben sie es jetzt auf Teufel komm raus in sämtlichen Wasserlachen und Pfützen, die Malaria wütete schlimmer denn je, und die Menschen starben wie die Fliegen. Gerettet haben uns die Amerikaner: Mit denselben Flugzeugen, mit denen sie uns zuvor bombardiert hatten, besprengten sie nun den ganzen Agro Pontino und die Ebene von Fondi mit DDT . Der reinste Segen, dieses DDT , glauben Sie es mir, gepriesen sei auf ewig sein Erfinder, und verflucht seien die Grünen und die Zorzi Vila. Sie brachten uns auch das Penizillin, das sollten Sie ja nicht vergessen. Sicher, außerdem die Demokratie und die Freiheit, sagt ja niemand was. Wir sagen ihnen auch hierfür danke schön, aber – wenn Sie gestatten – so arg viel Freiheit und Demokratie hatten zumindest wir Peruzzi auch vor dem Faschismus nicht gesehen, ja, es war unter dem Faschismus, dass uns erstmals jemand zuhörte, wer sollte uns denn sonst zuhören? Damit will ich aber gar nichts bestreiten: Dank den Amerikanern für Freiheit und Demokratie. Vor allem aber – wenn Sie gestatten – für den Wohlstand. Den hatten wir wirklich noch nicht gekannt. Nur Hunger hatten wir bis dahin gekannt.
    Es war jedoch alles zerstört, als wir zurückkamen. Unsere Felder lagen brach und waren voller Löcher und Bombentrichter. Überall noch Leichen. Unsere Abzugskanäle, die Gräben und Kanäle zugeschüttet. Die Straßen unbefahrbar. Der Makadam aufgerissen. Die Brücken eingestürzt. Und auch der Canale Mussolini – ich kann Ihnen sagen: An den Schwellen, in den Tosebecken und in der Trockenwetterrinne alle Pflastersteine in die Luft geflogen; die Uferdämme eingerissen oder vermint; das Kanalbett mit Erde zugeschüttet, so dass der Kanal, kaum dass ein Tropfen Regen fiel, über die Ufer trat und die Felder überschwemmte. Cisterna dem Erdboden gleichgemacht, auch Littoria fast völlig zerstört, die Häuser ausgebrannt und der Rathausturm in die Luft gesprengt. Man musste es noch einmal neu gründen. Den ganzen Agro Pontino musste man neu gründen und noch einmal trockenlegen. All die Münzen, die in die Baugruben der Fundamente geworfen worden waren – vom einfachen Arbeiter oder Handwerker, von Cencelli, Rossoni oder dem Duce –, hatten offenbar nicht ausgereicht. Sie hatten nicht ausgereicht für ein solches Armageddon. Blut war vonnöten. Das Blut all dieser Menschen, die zunächst aus Venetien, der Emilia und dem Friaul gekommen waren, und dann aus allen Teilen der Welt – aus Indien, Neuseeland, aus den USA, aus England, Frankreich und sogar aus Marokko und Algerien, und natürlich von unseren Bergen hier ringsum, um im Bett und an den Ufern des Canale Mussolini zu sterben –, damit man noch einmal von vorn anfangen konnte: Die Ärmel hochkrempeln, den Kanal neu ausheben, die Tümpel und Sümpfe noch einmal trockenlegen, Littoria und alle Städte und Höfe wieder aufbauen, die Straßen und Ställe und alles miteinander, und diesmal in Frieden und Freiheit und hoffentlich für immer. So fingen wir in unserem Agro Pontino noch einmal von vorne an, und so ist er wirklich ein Garten Eden geworden, das Gelobte Land, unsere veneto-pontinische Nation.
    Wie bitte, was sagen Sie?
    Wer ich bin, soll ich Ihnen sagen?
    Erinnern Sie sich zufällig noch, was ich Ihnen erzählt habe, von damals, als wir evakuiert wurden, das heißt von der Nacht des 7. Februar, als die Deutschen uns auf einem Karren mit weißem Tuch darüber von unserem Podere 517 Peruzzi am Canale Mussolini fortjagten? Ja? Und erinnern Sie sich auch noch, was ich irgendwann sagte, dass wir nämlich auf ein Minenfeld geraten waren und der Jagdhund von Onkel Pericle – die arme schwarzweiß gescheckte Gina – auf eine Mine trat und in die Luft flog?
    Nun, wie angewurzelt sind wir damals stehen geblieben auf diesem Minenfeld, und Sie wissen ja, wie das in solchen Fällen auf der ganzen Welt
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