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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini
Autoren: Pennacchi Antonio
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still!« Sie dagegen machte sich los und sagte noch lauter: »Aber sag’s ihnen doch! Sag du’s ihnen auch, dass wir auch Widerstand geleistet haben.« Und dann zum gesamten Publikum gewandt: »Mein Mann da«, sagte sie und zeigte mit dem Finger auf ihn, der sich versteckte, »mein Mann hier, er hat geschossen, hat mehrmals auf die Amerikaner geschossen«, was allerdings Engländer gewesen waren.
    »Nun, Genossin«, sagte der Redner, der aus Rom gekommen war, »das ist nicht genau die Resistenza, die wir hier feiern, wir feiern den Widerstand gegen den Nazifaschismus.«
    »Aber reden Sie doch keinen Unsinn«, sagte meine Tante. »Ich wundere mich über Sie, Sie haben doch studiert. Wir haben geschossen. Auf die Deutschen, auf die Amerikaner, was für ein Unterschied soll das schon sein? Widerstand ist Widerstand!«, beharrte sie noch, während Onkel Lanzidei sie fortschleifte, wobei er den Freunden mit der geschlossenen Hand und ausgestrecktem Daumen, den er vor dem Mund auf und ab bewegte, Zeichen gab – freilich ohne dass sie es sah –, wie um zu sagen: »Lasst gut sein, sie hat getrunken.«
    So liegen die Dinge, sagte ich Ihnen, so hat man sie mir erzählt, und so erzähle ich sie Ihnen weiter. Wenn Sie uns glauben wollen, dann tun Sie es, und wenn nicht, machen Sie, was Sie wollen, wie Tante Bissola und Onkel Adelchi sagen würden.
    Am 7. Februar aber, in ebenjenem Jahr 1944, haben die Deutschen uns evakuiert. Die Alliierten waren am Morgen der Landung, am 22. Januar, am Kanal aufgetaucht. Ein amerikanischer Jäger hatte eben noch den Bus beschossen, der von Cisterna nach Littoria unterwegs war – nichtsahnend waren die Leute eingestiegen, um zur Arbeit zu fahren –, und gleich danach kamen größere Flugzeuge, und man sah ein Knäuel Fallschirmspringer über dem Canale Mussolini herunterkommen, gleich hinter der letzten Biegung der Parallela Sinistra. Das war die 504. Fallschirmjägereinheit der Amerikaner. Sie landeten diesseits und jenseits des Kanals, in dem Eukalyptuswäldchen am Ende des Grunds der Mambrin. Zusammen mit den Deutschen, die aus dem Borgo herbeieilten, fingen die Mambrin und ihre Nachbarn sofort an, auf die ersten Fallschirmspringer zu schießen, die aus dem Wäldchen herauskamen. Die wichen zurück ins Kanalbett – hinter dem Uferdamm –, und dort verschanzten sie sich. Als Großvater und Onkel Temistocle und die gesamte Parallela mit ihren Jagdgewehren anrückten, war schon alles vorbei. Aber dort sind sie geblieben, wie Sie wissen, die Amerikaner, vier Monate lang. Hinter unserem Uferdamm – im Canale Mussolini und jenseits davon –, festgesetzt in dieser Ausweitung des Brückenkopfes.
    Sie blieben dort bis zum 23. Mai, als die Alliierten – will sagen, die Angloamerikaner – nach Cassino auch hier zur Offensive übergingen und am 25. Pontinia, Littoria und Cisterna befreiten. Dann breiteten sie sich aus. Und wieder vereint mit den Kräften, die aus Cassino kamen, befreiten sie auch Aprilia und Velletri, und am 4. Juni zogen sie »an der Spitze der siegreichen Truppen« in Rom ein. Das war 1944, ich wiederhole es, und im und am Canale Mussolini verlief die Front – vier Monate lang Grabenkrieg –, die Amerikaner im Kanalbett und auf der anderen Seite des Kanals, die Deutschen und die Italiener der RSI auf dieser Seite. Vom 22. Januar bis 25. Mai. Bedenken Sie nur, wie viel Blut durch den Canale Mussolini geflossen sein muss. Im Bett, an den Schwellen, an den Uferdämmen. Und die Zusammenstöße der Patrouillen auf den Feldern und in unseren Abzugsgräben. Dreißigtausend Tote auf beiden Seiten insgesamt an der Front Anzio Nettuno. Zwanzigjährige Jungs, aus der ganzen Welt hier zusammengekommen, um zu sterben. Und auch ihre Mütter weinen noch immer um sie.
    Uns aber hatten die Deutschen – ich sagte es bereits – am 7. Februar evakuiert. Wir konnten nicht länger dort bleiben. Die Verteidigungslinie stand nun fest, der Brückenkopf des Feindes war am Kanal blockiert. Die deutschen Einheiten und die der RSI – hier in der Gegend gut verankert – wechselten sich regelmäßig an der Feuerlinie ab. Sie kamen, schossen, töteten, starben und wechselten sich mit sehr kurzen Ruhepausen ab.
    Unser Hof stand nicht mehr, kann man sagen. Von allen Seiten durchlöchert. Das Dach nackt ohne Dachziegel. Fenster und Türen ausgehängt. Wir waren im Weg. Eine Gefahr für uns und für sie. Und sie schickten uns weg. Großvater wollte nicht. Er versteifte sich darauf. Er wollte
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