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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini
Autoren: Pennacchi Antonio
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dableiben. Sie sagten zu uns: »Aber nein, danke, Kamerad, tausend Dank, jetzt sind wir hier zum Kämpfen«, denn um sich nützlich zu machen blieb er bis zuletzt dort mit ihnen, hinter dem privy , das Gewehr in der Hand. Ja, irgendwann drückten sie ihm sogar ein Maschinengewehr in die Hand – »Aber wie funktioniert denn dieses Ding?«, sagte er und drehte es hin und her –, und er sagte: »Was heißt hier kämpfen, Kamerad? Das ist mein Grund und Boden, das ist mein Hof, und ich will hier nicht weg.«
    »Raus hier, raus! Evakuieren, evakuieren«, sagten sie da in scharfem Ton, als sie begriffen, dass er es im Guten nicht verstehen würde. Wir beluden einen Karren, und mit dem letzten verbliebenen Maultier – das meiste Vieh war aufgegessen worden, vor allem von den Deutschen – brachen wir in der Nacht auf in Richtung Cori, in die Berge. »Dort helfen uns meine Verwandten«, hatte Tante Nazzarena gesagt.
    Über den Karren breiteten wir weiße Leintücher mit einem gemalten roten Kreuz darauf, um zu verstehen zu geben, dass wir Zivilisten waren. Aber wir brachen in der Nacht auf, weil wir der Sache trotzdem nicht trauten. Zwei Tage zuvor hatten nämlich die Amerikaner am Kanal auf die Mambrin geschossen, als sie ihr Haus räumten, allen weißen Tüchern zum Trotz. Keiner traute keinem mehr, seitdem sich einmal auf unserer Seite auf der Parallela ein von einem Ochsengespann gezogener Karren mit weißem Tuch und schönem rotem Kreuz drauf in Bewegung gesetzt hatte, als Verwundetentransport in der Etappe. Aber plötzlich war Wind aufgekommen, das Tuch war wohl schlecht befestigt, es flog davon, und auf dem Karren war – anstelle der Verwundeten – ein Artillerieteil, das die Deutschen zu verlegen suchten. Die Amerikaner hatten zu schießen angefangen, und seit diesem Mal – weißes Tuch hin oder her – schossen sie, sobald sich etwas bewegte, und basta. Und so schossen sie auch auf die Mambrin.
    Wir Peruzzi brachen also in der Nacht auf, auf der Parallela in Richtung Via Appia. An einem bestimmten Punkt aber war die Straße gesperrt. Man ließ uns nicht durch. Die Gendarmerie der Deutschen sagte: »Nein, nein.« Also über die Felder in Richtung Kanal. Wir hatten die Appia schon fast erreicht, als der Hund – der Jagdhund meines armen Onkels Pericle, der Gina hieß, weil es eine Hündin war, schwarz-weiß gefleckt, und schwanzwedelnd etwa dreißig Meter vor uns herlief – paff! in die Luft flog. Eine Mine. Wir waren auf einem Minenfeld gelandet. Keiner rührte sich mehr. »Was machen wir jetzt?«
    Großvater wollte den Morgen abwarten. »Dann sieht man besser.«
    »Ja, aber dann sehen die Amerikaner uns auch«, sagte Großmutter, und dann wieder: »…Verflucht seien die Zorzi Vila.« Mit Gottes Hilfe gelang es uns, auch dieses Minenfeld zu überqueren und dann jenseits der Appia bis Doganella und nach Cori zu gelangen, wo die Verwandten meiner Tante Nazzarena uns im Gebirge unterbrachten, in einem Steineichenwald oberhalb des Dorfes an den Hängen des Monte Lupone. Es war eine Höhle, sagte ich Ihnen, mit einer Holzhütte davor. Ein Unterschlupf für Schafe und Schäfer. Wir blieben vier Monate dort. Es gab auch viele andere Siedler wie uns auf diesem Berghang. Wir fristeten ein kärgliches Dasein, lebten von Beeren und sogar von Wurzeln – und vom Mitleid der Marokkaner. Wären sie nicht gewesen, wir hätten das nicht überstanden. Sie kamen, riefen »Cispadaaa!« und brachten uns etwas zu essen.
    Unterdessen war auch das Kind auf die Welt gekommen – wie ich Ihnen erklärt habe –, und Großmutter hatte Armida nicht sofort weggejagt: »Wir sind Christenmenschen, habe ich gesagt, und du und dein Bastard, ihr könnt hier bleiben, bis der Krieg vorbei ist und wir wieder hinunter können. Dann aber fort mit dir, und komm mir nie wieder unter die Augen.«
    »Danke, Mama.«
    »Nenn mich nicht mehr Mama!«
    »Ganz wie Ihr wollt und befehlt.«
    Dann aber, mit der Zeit – auch wenn da nicht viel Zeit für Muße war, denn man war dauernd unterwegs im Wald und im Gebirge, auch bei der Kälte im Februar und März, um etwas zum Essen zu suchen: Pilze, Kräuter, Brennnesseln, Zichorien zum Kochen – und durch das ständige Beisammensein, konnte Großmutter gar nicht anders, ob sie wollte oder nicht, als sich auch an dieses uneheliche Kind zu gewöhnen. Wenn sie an Armida dachte, sagte sie nach wie vor nur »Diese Kuh!«, aber dieses Kind, das müssen Sie mir glauben, schrie oder weinte nur, wenn es Hunger hatte.
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