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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini
Autoren: Pennacchi Antonio
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die Pasta hausgemacht, und als Beilage Polenta.
    Bei dem da – er hieß Mussolini – sah man gleich, dass er nicht nur was im Kopf, sondern auch Charisma hatte. Er war nur ein Jahr älter als Rossoni – Jahrgang ’83 während Rossoni ’84 geboren war –, aber Rossoni behandelte ihn mit großem Respekt: »Benito schau hier, Benito schau da«, und alle beide schauten Onkel Pericle an, der schon flink war wie ein Hase.
    Onkel Temistocle, der Älteste, war ein bisschen mürrisch, zurückhaltend; damit er den Mund aufmachte und ein Wort hervorbrachte, musste man ihm schon direkt eine Frage stellen. Onkel Pericles Mundwerk dagegen stand nie still. Er redete über alles: »Wir müssen die Revolution machen«, die beiden sollten es hören, »sie müssen uns den Boden geben, wir müssen sie umbringen«, und Rossoni und sein Freund lachten, aber derweil schauten sie zu, wie er sich bewegte, die Geschwindigkeit, mit der er die Arbeiten im Stall verrichtete, die sichere Hand, den bestimmten Ton, den er im Umgang mit den Tieren hatte. Er war erst neun, aber die Hände waren schon voller Schwielen, und er konnte lesen, schreiben und rechnen und alle landwirtschaftlichen Arbeiten: Ochsen führen, Stiere mit Tritten traktieren. Mussolini sah ihn hin und wieder verstohlen an, während er mit Großvater und mit Rossoni sprach.
    Sicher, ich sage es noch einmal, Mussolini hatte Charisma, und Großvater hörte ihm begeistert zu, denn er sprach sogar besser als Rossoni: knappe, markante Sätze, die man auf Anhieb verstand. Bei ihm schien alles einfach, keine so komplizierten Gedankengänge, dass man einen Advokaten brauchte, um sie zu verstehen. Großvater gefiel er also, aber nur auf der politischen Ebene. Nicht gefiel ihm die Art, wie er seine Frau anschaute: »Verdammt!«, sagte er bei sich und tat weiter so, als lächle er, und nickte auch, wenn die beiden untereinander redeten.
    Großmutter war allerdings eine fröhliche, herzliche Natur; sie war immer zu Scherzen aufgelegt, und wenn ihr Mann einmal jemand mit nach Hause gebracht hatte, war sie gastfreundlich und liebenswürdig zu allen, da war sie bestimmt keine Spielverderberin. Aber den Mussolini schaute sie ein bisschen mehr und freundlicher an als gewöhnlich. Dann, als sie gegangen waren – »Auf Wiedersehen und danke schön, ihr wart sehr freundlich«, »Kommt wieder, wenn ihr wollt«, und sie aufgebrochen waren in der Nacht mit dem Wagen und der Petroleumlampe, die fünfzehn Kilometer nach Trisigallo, wo sie bei Rossoni zu Hause für die Nacht erwartet wurden –, die Kinder im Bett waren und sie selbst nun ebenfalls, und gleich nachdem Großmutter das kleinste Mädchen fertig gestillt hatte, Großvater unterdessen im Licht der Petroleumlampe den berühmten Fleck an der Decke anstarrte, beugte sie sich über ihn, um das Licht zu löschen, da zischte er sie an: »Du dreckige Hure.«
    »Was sagst du da?«, fragte sie und brach in Gelächter aus. »Bist du verrückt, Peruzzi? Das war doch nur ein Gast.«
    »Du dreckige Hure«, sagte er noch einmal, drehte sie herum und nahm sie, während sie noch lachte.
    Rossoni hingegen hatte beim Abendessen gesprächsweise gesagt, dass er bald wiederkommen würde, er war müde, er brauchte etwas Erholung: »Übermorgen muss ich nach Piacenza zu einem Prozess, aber danach komme ich wieder, und dann sehen wir uns, denn ich will ein Weilchen bei meiner Mutter bleiben.«
    Mussolini hingegen musste nach Meldola, in seiner Gegend dort bei Forlí-Predappio, wegen einer Kundgebung: »Dann bleibe ich auch ein wenig bei meinem Vater.«
    Mussolini wurde jedoch gleich nach der Kundgebung in Meldola verhaftet und ins Gefängnis geworfen, während Rossoni in dem Prozess in Piacenza zu vier Jahren plus zwei unter Polizeiaufsicht verurteilt wurde. Aber der Richter hatte das Urteil noch nicht zu Ende verlesen, als Rossoni – der noch auf freiem Fuß war und sich zur Sicherheit ins Publikum gesetzt hatte – sich auch schon schleunigst aus dem Gerichtsgebäude davonmachte und noch am selben Abend in Lugano in der Schweiz war, und wir haben ihn dann mindestens zehn Jahre nicht gesehen. Von der Schweiz aus ging er mit Corridoni nach Frankreich, nach Nizza, aber auch dort bekam er Ärger mit der Polizei, und um ein Haar konnte er sich noch nach Brasilien absetzen: »Ach, das Gefängnis von Copparo hat mir eigentlich gereicht. Hilf mir, sei so gut.«
    Er hatte mittlerweile jede Menge Haftbefehle am Hals. Von allen Seiten hagelten sie auf ihn ein. Aber man
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