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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition)
Autoren: Heidi Schumacher
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aus wenigen Worten. In einem Brief stand bloß das Wort »Rache«, in
einem anderen »Verräter«. In einem dritten Brief stand »Wir haben nichts
vergessen!«, in einem anderen »Wir holen uns, was uns zusteht!«, darunter
»Dieb« oder »Faschist«. Und alle waren unterzeichnet mit der Zahl 7 und
einem großen  M .
    »Wissen Sie, was das heißen soll? 7 und  M ?«
    Octavia schüttelte den Kopf. »Das ist es ja! Man gibt uns ein Rätsel
auf. Das macht die Sache für mich noch beunruhigender.«
    »Und Ihr Vater?«
    »Ich habe nicht gewagt, ihm die Briefe zu zeigen. Er hat ein
Herzleiden, und ich wollte ihn nicht aufregen. Wir müssen unbedingt ohne ihn
herausfinden, was dahintersteckt.«
    Antonia war skeptisch. »Wenn er der Adressat ist, kommen wir ohne
ihn nicht weiter. Nur er wird uns sagen können, was diese Anwürfe zu bedeuten
haben.«
    Octavia steckte die Briefe in ihre Umschläge und legte sie wieder in
die Schachtel zurück. Dann sah sie Antonia an und sagte in fast herrischem Ton:
»Ich möchte Sie noch einmal um Diskretion bitten. Versuchen Sie zunächst, auf
eigene Faust herauszubekommen, was die Briefe zu bedeuten haben. Dann sehen wir
weiter. Ich muss meinen Vater unbedingt schonen. Ich werde Ihre Arbeit
selbstverständlich zu den üblichen Konditionen bezahlen.« Damit schob sie die
Schachtel in das Fach mit den Intarsien zurück, verschloss sorgfältig die
Klappe und ließ den Schlüssel in ihre Jackentasche gleiten.
    Antonia folgte ihr in den Salon, setzte sich aber nicht, sondern
ging zum Fenster und sah hinunter in den Garten. Üppige Glyzinien- und
Jasminzweige hingen über den hohen Mauern. In einer Ecke standen steinerne
Nymphen und Satyrn, deren moosgrüne Oberfläche mit den Glyzinien vollkommen
harmonierte. Die Szene schien so still, dass Antonia den Eindruck hatte, als
betrachte sie eine Fotografie. Nachdenklich drehte sie sich zu Octavia um.
    »Ich hätte da noch eine Frage. Könnten die Briefe auch an Sie
gerichtet sein?«
    Octavia hatte wieder in ihrem violetten Ohrensessel Platz genommen,
der sie wie eine Art Schutzschild umgab. Sie wirkte jetzt, da sie Antonia
eingeweiht hatte, viel ruhiger.
    »Ich habe fünfundzwanzig Jahre mit meinem Mann in Hamburg gelebt,
und wir waren immer nur für kurze Zeit zu Besuch in Venedig, an Weihnachten
oder Ostern. Ich bin jetzt zwar seit drei Jahren wieder hier, pflege aber in
der Stadt fast keine gesellschaftlichen Kontakte. Außer Don Orione, den
Priester, und unsere Hausärztin kenne ich kaum jemanden. Die beiden kommen
manchmal zum Abendessen. Meine anderen Bekannten gehören der deutschen Gemeinde
von Venedig an. Man kennt sich und trifft sich ein paarmal im Jahr bei
kulturellen Veranstaltungen, pflegt jedoch privat keinen Umgang. Wenn ich nicht
häufig Besuch aus Deutschland bekäme, würde ich hier total vereinsamen.«
    Octavia nahm eine Zigarette aus einem Etui und steckte sie, wie
schon vorher, in die silberne Zigarettenspitze, legte sie dann jedoch in den
Aschenbecher, ohne sie anzuzünden. Zwischen den makellos gezupften Augenbrauen
entstand eine Falte, als sie die Stirn runzelte.
    »Ich habe auch niemandem Anlass gegeben, mich in dieser Form zu
beschimpfen. Nein, ich denke, es hat etwas mit meinem Vater zu tun, denn die
Briefe sind an eine männliche Person gerichtet. Da steht ›Faschist‹ oder
›Verräter‹, die männliche Form Singular. Der Absender benutzt nicht den Plural.
Ich denke, sie sind an meinen Vater gerichtet. Man will ihn terrorisieren.«
    Antonia machte sich Notizen. Dann sah sie auf.
    »An wen waren denn die Briefe adressiert, die mit der Post gekommen
sind?«
    »Auf den Umschlägen stand nur die Adresse. Palazzo Falieri. Das ist
hier nicht ungewöhnlich, wenn nur eine Familie das Haus bewohnt.«
    Antonia notierte sich Octavias Angabe und klappte ihren Block zu.
    »Ich werde mein Bestes tun, Frau Bayer, aber ich glaube nicht, dass
ich ohne die Mithilfe Ihres Vaters weit komme.«
    Als sie schon in der Tür war, fiel ihr noch eine Frage ein. »Hat
sich Ihr Vater in irgendeiner Form politisch engagiert? Gehört er politisch
gesehen zur Rechten?«
    Octavia sog heftig die Luft ein. »Wo denken Sie hin? Er hat
keinerlei politische Interessen. Er hat manchmal auf Berlusconi geschimpft, wie
die meisten hier. Selbst die, die ihn dann gewählt haben. Aber ansonsten
interessiert ihn nur seine Sammlung. Seine Bilder sind sein Leben.«
    Antonia nickte. »Tut mir leid, aber ich muss diese Dinge wissen.«
    Der breite Flur der
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