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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition)
Autoren: Heidi Schumacher
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Gartenmauer eine Gedächtnistafel für den russischen Autor Joseph
Brodsky, dessen Venedigroman sie bewunderte. Anscheinend hatte er in diesem
Haus gelebt, wenn er aus den USA zu Besuch in der
Stadt gewesen war. Nach zwei Stunden kehrte sie müde und glücklich in den
Palazzo zurück. Giovanna öffnete ihr die Wohnungstür.
    »Die Signora erwartet Sie schon im Salon. Ich bringe Ihnen gleich
eine Tasse Kaffee.«
    Octavia, ebenso zierlich wie ihre Tochter, verschwand fast in ihrem
riesigen violetten Samtfauteuil neben dem Kamin. Matt wies sie Antonia einen Platz
auf dem Sofa zu.
    »Ich möchte Sie um Ihre Hilfe bitten, Antonia. Jana hat mir erzählt,
dass Sie als Privatermittlerin arbeiten, und ich dachte, bevor ich die Polizei
verständige, wäre es sinnvoll, erst einmal diskret Erkundigungen einzuziehen.
Ich muss an meine Familie denken. Die Stadt ist klein, und wenn die Polizei
Ermittlungen aufnimmt, dann weiß es hier bald unser ganzes Viertel.«
    Antonia nickte verständnisvoll.
    »Giovanna, unsere Köchin, ist unbezahlbar, aber nicht besonders
verschwiegen«, fuhr Octavia fort. »Sie meint es nicht böse, aber Sie kann ihre
Zunge einfach nicht im Zaum halten. Sie kennt hier die ganze Nachbarschaft, und
alle wissen alles voneinander. Ich glaube, Ihnen kann ich vertrauen. Jana hat
mir viel von Ihnen erzählt.«
    Antonia fühlte sich geschmeichelt. »Jana hat mir geschrieben, dass
Sie seit einiger Zeit erpresst werden?«
    Octavia schien in ihrem Sessel zu schrumpfen. Antonia bemerkte, wie
ihre Hand zitterte, als sie die Kaffeetasse absetzte.
    »Von Erpressung kann man eigentlich nicht sprechen. Wir erhalten
seit einiger Zeit seltsame Briefe, die alle gleich unterschrieben sind, aber
ohne irgendeine konkrete Botschaft. Sie enthalten Anschuldigungen und
Drohungen, aber es ist nicht klar, was sie bezwecken sollen.«
    Antonia griff automatisch in ihre Jackentasche und zog einen Stift
und einen Block hervor. »Wann haben Sie den ersten dieser Briefe erhalten, wie
viele sind es inzwischen, und um was für eine Art Unterschrift handelt es
sich?«
    Octavia steckte eine Zigarette in eine silberne Spitze, zündete sie
an und nahm einen tiefen Zug, bevor sie antwortete.
    »Selbstverständlich werde ich Ihnen die Briefe zeigen. Ihrer Frage
entnehme ich, dass Sie uns helfen wollen?«
    »Aber ja, schon wegen Jana werde ich mich der Sache annehmen. Es ist
nur die Frage, ob ich es auch kann. Ich spreche nur leidlich Italienisch, und
es ist durchaus möglich, dass ich Ihnen überhaupt nicht von Nutzen sein kann,
weil ich die Menschen hier nicht verstehe. Und das nicht nur sprachlich.«
    Trotz ihrer Skepsis schien Antonias Antwort Octavia zu erleichtern.
Ihre Stimme hatte wieder ihren üblichen damenhaften Ton angenommen.
    »Wie gesagt, mir ist es wichtig, dass jemand Recherchen anstellt,
der nicht aus Venedig stammt.« Sie stand auf und ging in ein Nebenzimmer.
»Kommen Sie, ich möchte Ihnen die Briefe zeigen.«
    Antonia folgte ihr in einen Raum, dessen Wände von hohen
Bücherschränken aus hellem, glänzendem Holz bedeckt waren. An der Längsseite
war ein hoher Sekretär in die Bücherwand eingelassen. Octavia zog einen
Schlüssel aus der Jackentasche, öffnete eine mit Intarsien verzierte Klappe und
griff in das dahinterliegende Fach. Sie zog eine flache Schachtel heraus, die
sie vorsichtig und mit spitzen Fingern öffnete, als könne Böses aus ihr
entweichen. Dann griff sie nach einem Bündel mit Briefen und breitete sie auf
der Schreibfläche des Sekretärs aus.
    »Ich habe sie alle nummeriert, es sind jetzt neun. Der erste
erreichte uns kurz vor Weihnachten. Mein Vater hatte sich fast das ganze letzte
Jahr in Lugano bei seiner Schwester Alba aufgehalten. Das Klima dort bekommt
ihm besser. Aber eine Woche vor Weihnachten kam er zurück, und kurz nach seiner
Rückkehr traf der erste Brief ein.«
    »Darf ich fragen, wer diese Briefe in der Hand gehabt hat?« Antonia
war ebenfalls zum Sekretär gekommen.
    »Entweder Giovanna, unsere Köchin, oder Flavia, die Haushaltshilfe.
Sie holen morgens die Post aus dem Briefkasten und legen sie mir auf den
Schreibtisch. Ungeöffnet natürlich.«
    »Alle Briefe sind per Post gekommen?«
    »Sieben sind mit der Post gekommen, zwei sind durch Boten abgegeben
worden und waren unfrankiert.«
    »Wer hat diese beiden entgegengenommen?«
    »Das war Flavia. Sie hat sie angenommen und mir dann auf den
Schreibtisch gelegt.«
    Die Handschrift der Briefe variierte ein wenig, und der Inhalt
bestand nur
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