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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition)
Autoren: Heidi Schumacher
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Wohnung lag im Halbdunkel. Nur zwei
Tischlampen auf einer antiken Kommode spendeten Licht. An den Wänden hingen
etliche alte Bilder aus der Sammlung des Conte. Der Flur wirkte durch die
vielen Gemälde, die in drei Reihen übereinanderhingen, wie eine Art Kabinett.
Antonia konnte die Sujets wegen der gedämpften Beleuchtung kaum erkennen und
trat an einige der Bilder näher heran.
    Es handelte sich überwiegend um Genremalerei aus dem 18. Jahrhundert.
Schäferszenen aus dem Veneto und Stadtszenen aus Venedig, auch einige Porträts
darunter. Die Sammlung wirkte kostbar. Jana hatte ihr schon bei ihrem letzten
Venedigaufenthalt, bei dem sie auch einmal den Palazzo besucht hatte, ein paar
der Bilder gezeigt und erzählt, dass es sich nur um einen kleinen Teil dessen
handelte, was ihr Großvater in den letzten Jahrzehnten zusammengetragen hatte.
Im zweiten Stock des Palastes gebe es noch einen Saal, und etliches aus seinem
Privatbesitz habe der Conte, Mauro di Falieri, bereits dem Accademia-Museum
überlassen.
    Im Gästeapartment zog sich Antonia bequeme Laufschuhe an und machte
sich auf einen Streifzug durch die Stadt. Sie überquerte zahllose kleine
Brücken mit weiß getünchten Geländern, ging durch enge Gassen, schaute in
Kirchen, verweilte auf Plätzen und trank im Stehen einen Espresso in einer Bar.
Florian hatte das beim letzten Besuch »sich absichtsvoll verlieren« genannt und
einen Philosophen zitiert. Wie auch immer. Vielleicht war dieser erste Tag der
einzige, an dem sie sich treiben lassen konnte. Sie hatte jetzt einen Auftrag
und damit einen Job zu erledigen.
    Zwischendurch aß sie irgendwo ein Stück Pizza aus der Hand. Florian
hatte sie angerufen, um ihr zu sagen, dass er mit den italienischen Kollegen
zum Essen gehen und erst am Abend zurückkommen wollte.
    Am frühen Abend betrat sie den Billa-Supermarkt an der
Zattere-Promenade, um ein paar Basics für die winzige Küche der Gästewohnung
einzukaufen: Kaffee, Olivenöl, Brot, Pasta und Gemüse.
    Als sie den Laden verließ, wusste sie, was sie an der Stadt so
liebte: Ob es eine Kirche war, der Bahnhof oder der Supermarkt, wenn man vor
die Tür trat, sah man auf Wasser. Während sie in Hamburg oder Köln das
Einkaufen in ihrem Viertel verabscheute, geriet es hier zu einem vergnüglichen
Spaziergang. Sie fühlte sich schon ganz venezianisch und den übrigen Touristen
an den Zattere überlegen, als sie mit den beiden vollen Plastiktüten in die
Gasse zum Palazzo einbog.
    Auf dem Campo vor der Kirche kam ihr mit flatternder Soutane Don Orione
entgegen. Er erkannte sie, blieb stehen und hob seine Hände beschwörend zum
Himmel.
    »Buona sera, Antonia. Ich komme gerade von der Abendmesse. Es war
kaum jemand da. Sehr deprimierend. Nur die ganz Alten hören mir noch zu. Die
allgemeine Gottlosigkeit, das verblödende Fernsehen, das manche in diesem Land
genutzt haben, um ihre Macht zu erhalten …«
    Don Orione musste niesen. Antonia suchte nach einem
Papiertaschentuch und reichte es ihm. Als er sich schnäuzte, klang es, als ob
eine Dampflok Luft ablasse.
    »Grüßen Sie Jana und Octavia. Und richten Sie Giovanna von mir aus,
dass man mit der Zunge flinker arbeitet als mit den Händen. Sie wird es
verstehen. Heute Morgen hat sie eine geschlagene halbe Stunde auf dem Campo
gestanden und mit zwei Nachbarinnen getratscht.«
    Antonia musste lachen und nutzte die Gelegenheit, etwas über die
Falieris in Erfahrung zu bringen. »Octavia erzählte mir, dass Sie ein Freund
der Familie sind?«
    »Ja, Signora Bayer, also Octavia, und auch Cecilia, ihre Schwester,
haben von mir die erste Kommunion empfangen, daher nenne ich sie beim
Vornamen.«
    »Dann kennen Sie sicherlich auch den Conte?«
    Don Orione winkte einem Arbeiter zu, der sich im Eingang der
Gondelwerkstatt zeigte, dann blickte er wieder Antonia an. »Natürlich, den
Conte kenne ich auch, aber nicht so gut wie seine Töchter. Ihm liegt nicht viel
an der Kirche, wissen Sie, ich weiß noch nicht einmal, ob er überhaupt gläubig
ist. Ciao, Antonia, bis demnächst, kommen Sie mich mit Florian bald besuchen!«
    Damit betrat er die Werkstatt und war binnen Sekunden in ein
lebhaftes Gespräch mit dem Gondelbauer vertieft. Antonia sah ihm amüsiert nach.
Sie war froh, dass der kontaktfreudige Mann so gut Deutsch sprach. Auf der
Bootsfahrt über die Lagune hatte er ihr erzählt, dass er als junger Mann eine
Zeit lang an einem Priesterseminar in München gewesen war und jetzt hin und
wieder kirchliche Organisationen
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