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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition)
Autoren: Heidi Schumacher
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davon, dass du ihn triffst?«
    »Nein. Mama ist ihrem Vater gegenüber absolut loyal. Sie würde das
nie erlauben.«
    »Eccola, signorine!« Florian trug drei Becher mit Fruchteis in den
Händen. Unter einem Baum der Piazza wurde gerade eine der rot gestrichenen
Bänke frei, und die drei ließen sich darauf nieder.
    »Was macht eigentlich deine Tante Cecilia, lebt sie auch in Venedig?
Don Orione, den ich heute traf, hat mir erzählt, dass deine Mutter und deine
Tante bei ihm zur Kommunion gegangen sind.«
    Jana war bei der Frage ein wenig zusammengezuckt, fing sich jedoch
rasch wieder. Gemächlich löffelte sie das Eis und lobte Florian für seine Wahl.
Dann antwortete sie mit gleichmütiger Stimme: »Tante Cecilia ist vor einigen
Jahren gestorben. Sie war Guidos Frau. Seit ihrem Tod hasst Großvater Guido. Er
gibt ihm die Schuld an Cecilias Tod. Sie war depressiv und hat zuletzt sehr
viel getrunken.«
    »Dann waren die beiden wohl nicht sehr glücklich miteinander?«,
fragte Antonia.
    Jana nickte schwach. »Von Anfang an nicht. Aber ich habe jetzt keine
Lust, darüber zu sprechen.«
    Antonia schwieg. Sie hatte es geahnt. Hinter der vornehmen Fassade
gab es weniger vornehme Konflikte, und ihr professioneller Instinkt sagte ihr,
dass dies sehr wahrscheinlich noch nicht alles war.

4
    Für ihre Recherchen hatte sie sich notiert, als Erstes mit
Flavia zu sprechen. Sie war diejenige gewesen, die zwei der Drohbriefe in
Empfang genommen hatte. Aber Flavia hatte am nächsten Vormittag frei. Octavia
und Jana waren nicht zu Hause, sodass sie Giovanna nach Flavias Adresse fragte.
    Die Köchin sah sie erstaunt an. Sie hätte sicher zu gerne gewusst,
was Antonia von Flavia wollte. Es war ihr anzumerken, dass sie innerlich mit
sich rang und ihre Neugierde kaum im Zaum halten konnte. Antonia schwieg sich
jedoch über den Grund ihres Besuches aus. Giovanna schrieb ihr schließlich den
Namen einer Gasse und eine Nummer auf die Rückseite eines Einkaufszettels und
erläuterte ihr, meist auf Italienisch, mit wortreichen Ausführungen, denen
Antonia nicht immer folgen konnte, dass es »molto difficile«, sehr schwierig
sei, Flavias Haus in dem Gewirr der Gassen drüben auf der Giudecca zu finden.
Die Hausnummern seien für Fremde verwirrend, denn in Venedig seien die Häuser
nicht wie in Germania nacheinander nummeriert.
    Antonia nahm das nächste Linienboot, fuhr zur Anlegestelle Palanca
hinüber und machte zunächst einen Erkundungsgang über die kleine Insel. Hier
hatten früher überwiegend Fischer, später dann Handwerker und Arbeiter gelebt.
Die Häuser in der Mitte der Insel waren niedriger als in der Altstadt, und es
gab kaum Paläste. Mitten auf der Insel befanden sich eine ehemalige
Junghans-Fabrik und die frühere Mehlfabrik Molino Stucky, die man inzwischen
aufwendig renoviert und in ein Hilton-Hotel verwandelt hatte. Hier war auch
einmal das Gefängnis der Stadt gewesen, das jetzt nur noch das Frauengefängnis
beherbergte. Antonia machte ein paar Fotos und dachte, dass es sicher schlechtere
Plätze auf der Welt gab, in denen man seine Strafe absitzen musste. Dann
schlenderte sie über das weitläufige Gelände der Bootswerft und des Jachthafens
und kehrte nach einer Weile zu der Seite der Insel zurück, die der Stadt
zugewandt war.
    Am Ende der breiten Promenade bog sie nach rechts in eine schmale
Gasse und suchte die Hausnummer, die Giovanna für sie notiert hatte. Die Köchin
hatte recht. Die Hausnummern wechselten verwirrend oft, und sie konnte in der
Nummerierung keinen Sinn erkennen. Von der Gasse, deren Name Giovanna auf das
Blatt gekritzelt hatte, bog nach rechts eine noch schmalere ab. Die Häuser
waren hier drei Stockwerke hoch und standen sich so dicht gegenüber, dass kaum
Sonnenlicht bis nach unten drang. Es roch nach Katzenurin und Abwässern.
    Über einem Eingang mit vielen Klingelknöpfen fand Antonia endlich
die Nummer, die sie gesucht hatte, und entdeckte auch Flavias Namen. Sie schien
ganz oben im Haus zu wohnen. Als Antonia die Fassade hinaufblickte, sah sie in
ein Gewirr von Wäscheleinen voller Handtücher, Jeans und Unterwäsche. Auf den
Fensterbänken standen ein paar Töpfe mit Geranien und Petersilie. Die Fenster
des obersten Stocks waren geschlossen. Sie zögerte und entschloss sich
plötzlich, doch nicht zu klingeln. Es wäre vielleicht unklug, Flavia eigens
hier aufzusuchen und nach den Briefen zu fragen. Sie sollte ja diskret
vorgehen. Flavia würde am Nachmittag wieder im Palazzo arbeiten,
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