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Canale Mortale (German Edition)

Canale Mortale (German Edition)

Titel: Canale Mortale (German Edition)
Autoren: Heidi Schumacher
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fiel
leichter Nieselregen, und der Himmel über Köln war grau.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das mit der Erholung klappen wird. Ich
habe Jana heute eine E-Mail geschickt, und sie hat geantwortet, dass ihre
Familie in Schwierigkeiten steckt. Es geht wohl um Erpressung. Sie wollte
unbedingt, dass ich so bald wie möglich wieder nach Venedig komme und sie
besuche. Aber ich werde mich, so gut es geht, da raushalten. Schließlich hat
man in dieser Stadt Besseres zu tun, als sich mit den Sorgen der Gastgeber zu
beschäftigen.«
    »Ich bin also nur Mittel zum Zweck?«, fragte Florian theatralisch.
»Sie hat mir die Einladung nur besorgt, damit du mitkommst und für sie
ermittelst?«
    Antonia zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Wir können
jedenfalls zusammen bei ihnen in der Gästewohnung unterm Dach wohnen.«
    Florian verzog das Gesicht. »Oh nein, bitte nicht. Ein Hotel wäre
mir lieber. In einer Familie steht man doch immer unter Beobachtung und …«
    Antonia unterbrach ihn ungeduldig: »Jetzt spiel nicht den Prinzen.
In diesem Palazzo zu wohnen ist tausendmal besser als in einem Hotelzimmer.
Erinnerst du dich noch an die grässliche Pension vom letzten Mal? Wir hatten
uns geschworen, beim nächsten Mal ein hübsches Hotel zu nehmen. Aber ein Monat
Hotel in Venedig ist nicht zu bezahlen!«
    Dann sprang sie auf, zog Florian hoch und tanzte ausgelassen mit ihm
durchs Zimmer. »Venedig! Wir kommen!«

2
    Antonia hatte nach ihrem Studium der Kunstgeschichte und
Psychologie ihren Abschluss mit »sehr gut« gemacht und dann zunächst als
Kellnerin, Verkäuferin und Kindermädchen gejobbt, bis sie sich auf die Annonce
einer Hamburger Detektei (»Mitarbeiterin für Observierungen aller Art gesucht.
Flexible Arbeitszeiten!«) bewarb. Gleich im ersten Jahr als Privatdetektivin
war es ihr gelungen, eine Mordserie auf Rügen aufzuklären. Dann war sie ihrem
Freund Florian, der einen Lehrauftrag an der Musikhochschule erhielt, nach Köln
gefolgt und dort bei der Detektei Schmitz & Welsch eingestiegen. Die
Venedig-Reise war ihr erster längerer Urlaub seit anderthalb Jahren, und ihre
neue Kollegin Rita Welsch, mit der sie sich von Anfang an gut verstanden hatte,
wollte sie unbedingt zum Flughafen fahren. Unterwegs bedauerte Rita wortreich und
laut, dass sie nicht selbst nach Venedig reisen konnte.
    »Ich war schon eine ganze Zeit nicht mehr da. Das letzte Mal zum
Karneval vor drei Jahren. Das Hotel war schrecklich. Direkt an der
Rialto-Brücke und voll mit betrunkenen Schweden. Einer hat dann nachts neben
meinem Zimmer einen Wandschrank geöffnet. Und was glaubt ihr, hat er da gemacht …?«
    Antonia unterbrach sie: »Das wissen wir, Rita. Wir steigen übrigens
nicht in einem Hotel ab, sondern in einer Wohnung.«
    »Waaas?« Rita sah sie überrascht an. »Warum hast du das nicht gleich
gesagt? Dann könnte ich euch doch am Wochenende besuchen kommen …«
    Antonia sah aus dem Augenwinkel, wie Florian, der auf dem Rücksitz
saß, eine Grimasse zog.
    »Lass uns darüber noch mal telefonieren, Ritalein«, wich sie
diplomatisch aus.
    Obwohl beim Start in Köln starker Wind geherrscht hatte, verlief
der Flug ruhig. Nach einigem Auf und Ab hatte die Maschine ihre Flughöhe
erreicht. Antonia ließ sich entspannt in ihren Sitz zurücksinken. Florian und
sie hatten Plätze nebeneinander, waren jedoch durch den Gang getrennt.
    Schräg vor Antonia saß ein schwarz gekleideter Mann, ein Priester,
wie sie erkennen konnte, als er sich nach vorne beugte, ein Bein in den Gang
schob und seine Schnürsenkel löste. Er zog sich die Schuhe aus und lehnte sich
mit einem Ausdruck des Behagens zurück. Doch schon nach ein paar Sekunden
setzte er sich wieder gerade hin und griff in die Sitztasche vor sich.
Umständlich studierte er die Plastikkarte mit den Verhaltensregeln im Notfall.
Antonia sah, dass er sie auf dem Kopf hielt. Erst als er seine Brille, die er
ins graue Haar geschoben hatte, auf die Nase rückte, drehte er die Tafel herum
und betrachtete die Abbildungen aufs Neue. Dann verstaute er die Karte wieder
und zog die Bordzeitung heraus. Antonia bemerkte amüsiert, wie er intensiv die
Werbefotografien ansah. Besonders lange blieb sein Blick an der Abbildung eines
hübschen jungen Mannes hängen, der mit nacktem Oberkörper für ein Deo warb. Als
sich der Wagen mit den Erfrischungen näherte, steckte der Geistliche die
Lektüre abrupt zurück und widmete sich dem Studium von Papieren, die er aus
einer Aktentasche zog.
    Zwei
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