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Callboys - Die Schönen der Nacht

Callboys - Die Schönen der Nacht

Titel: Callboys - Die Schönen der Nacht
Autoren: M Hart
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machen zu müssen. Das sei die Sache wert, verkündete sie, selbst wenn sie und Jerry manchmal früher nach Hause kommen mussten, weil ich einen Anruf bekommen hatte.
    So weit, so gut, an diesem Nachmittag waren Melanie und Simon außer sich vor Freude gewesen, als sie erfahren hatten, dass ich mit ihnen zu Mocha Madness gehen wollte, einem Kaffee-und-Sandwich-Restaurant mit einer überdachten Spielanlage. Die Idee hinter diesem Lokal war, dass der Nachwuchs sich zwischen kindersicheren Kletterwänden, einem Labyrinth aus Rohren und anderen Spielgeräten müde toben konnte, während die Erwachsenen dasaßen, es sich bei Kaffee und Gebäck gut gehen ließen und Zeitung lasen. Wegen der getrennten Ein- und Ausgänge zum Spielplatz, der Monitore und der sauberen Toiletten lohnten sich die zwanzig Minuten Autofahrt und die fünf Dollar Eintritt für jeden, um die Kinder dort für ein paar Stunden freizulassen.
    „Tante Grace, du bist die beste aller Tanten!“ Simon umklammerte meine Beine, während ich meine Jacke und meine Tasche an die Lehne eines Stuhls hängte, von dem aus ich ihnen beim Spielen zusehen konnte.
    Seine Schwester umarmte mich von der anderen Seite, indem sie ihre Arme fest um meine Taille schlang. „Wir lieben dich!“
    „Oh Kinder, ich liebe euch auch“, erwiderte ich, wobei ich den beliebten Internet-Cartoon „Potter Puppet Pals“ imitierte, den sie sich wieder und wieder anschauen wollten. „Nun lasst mich los.“
    Kichernd gehorchten sie mir und überließen mich meinem Kaffeebecher, den ich beliebig oft nachfüllen lassen konnte, und einem Liebesroman, der schon ewig in meinem Stapel noch ungelesener Bücher gelegen hatte. Während der vergangenen paar Monate hatte ich ziemlich viel Zeit zum Lesen gehabt.
    Mit glühendem Gesicht kam Simon nach einer Weile zum Tisch, um aus seinem Plastikbecher mit Limonade zu trinken. „Deine Wangen sind rot, Tante Gracie.“
    „Genau wie deine, Kumpel.“ Ich schob einen Finger zwischen die Seiten meines Buchs, um ihm sein schweißnasses Haar aus der Stirn zu streichen. „Gefällt es dir hier?“
    Er nickte und wich meiner Hand aus. „Ja. Der Junge da drüben. Das ist mein Freund.“
    Mein Blick folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger in Richtung eines kleinen Jungen, der ein ausgestopftes Steuerrad um die Taille geschnallt trug und auf einer Rennstrecke herumrannte, die auf dem Boden markiert war. „Oh, tatsächlich? Wie heißt er denn?“
    „Das weiß ich nicht.“ Simon zuckte unbekümmert die Achseln und lief wieder zurück auf den Spielplatz.
    Ich beobachtete, wie er sich sofort mit dem Freund, dessen Namen er nicht kannte, in ein neues Spiel stürzte, und versuchte, mich zu erinnern, wie es sich angefühlt hatte, sofort jedem Fremden zu vertrauen, der des Weges kam. Ich ließ meine Augen über die Menge umherspringender Kinder gleiten, entdeckte Melanie und vertiefte mich wieder zufrieden in mein Buch.
    Die Geschichte fesselte mich, doch mein Appetit auf frischen Kaffee ließ mich den Kopf heben. Nur ein Blick, doch meine Aufmerksamkeit galt nicht mehr dem Buch, und ich klappte es zu, dieses Mal, ohne mir die Mühe zu machen, mit dem Finger zu markieren, auf welcher Seite ich gerade war. Vom anderen Ende des Raumes her starrte mich ein Mann an, der an einem kleinen Tisch für zwei Personen saß.
    Sam.
    Er sah mich. Ich wusste, dass er mich sah, weil er mich angestarrt hatte, doch sobald sich unsere Blicke trafen, schaute er weg. Einen Augenblick später trat eine junge blonde Frau zu ihm. Da sie mir den Rücken zukehrte, konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, aber die tief sitzenden Jeans und das enge T-Shirt sagten mir genug. Sie reichte ihm eine große Tasse und stellte eine vor sich hin. Dann sagte sie etwas zu ihm, und er antwortete, während sein Blick noch einmal über ihre Schulter hinwegging und in meinen tauchte.
    Dieses Mal schaute ich weg, sah wieder in das Buch, auf das ich mich nicht mehr konzentrieren konnte. Die Tatsache, dass ich nicht mehr in der Lage war, der Geschichte zu folgen, regte mich mehr auf als die Tatsache, dass Sam offensichtlich nicht die Absicht hatte, mich zu begrüßen. Dafür hatte ich Verständnis.
    Es verletzte nicht meine Gefühle.
    Es löste überhaupt kein Gefühl in mir aus.
    Oh doch, wie wir einander ins Gesicht gestarrt hatten, einander erkannt, aber nichts gesagt hatten, tat mir weh. Wir hatten nicht einmal lässig die Hand gehoben, auf jene Art, auf die man einen Bekannten begrüßt, an dessen Gesicht
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