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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie
Autoren: Aloys Winterling
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Personen, die es noch wagten, das Haus des Germanicus zu besuchen, denunziert und wegen Majestätsdelikten angeklagt. Der besonders üble Fall des Titius Sabinus wurde oben geschildert. Als schließlich sogar eine Kusine der Agrippina angeklagt wurde, stellte diese den Kaiser zur Rede, der ihr daraufhin offen ihre Herrschsucht vorhielt. Die im wahrsten Sinne vergiftete Atmosphäre, die mittlerweile herrschte, nutzte Sejan zu einer klassischen Intrige. Er ließ Agrippina über Mittelsleute einreden, der Kaiser plane, sie zu vergiften. Sie solle die Tafelihres (Adoptiv-)Schwiegervaters meiden. Als sie sodann zu einem kaiserlichen Gastmahl, bei dem auch Livia anwesend war, geladen wurde, rührte sie keine der Speisen an, so daß Tiberius, möglicherweise über Agrippinas Verdacht informiert, aufmerksam wurde. Er lobte sodann die Früchte, die gerade aufgetragen wurden, und reichte sie Agrippina eigenhändig herüber. Deren Befürchtungen steigerten sich noch mehr, und so gab sie die Früchte, ohne sie zu kosten, an die Sklaven ihres Gefolges weiter. Tiberius soll sodann, zu Livia gewandt, gesagt haben, es wäre kein Wunder, wenn er noch härtere Maßnahmen gegen Agrippina träfe, die ihn der Giftmischerei beschuldige.
    Glaubt man Tacitus, so war Agrippina tatsächlich darauf aus, ihre Söhne und damit sich selbst vor der Zeit zur Herrschaft zu bringen. Sie hätte somit eine reale Bedrohung des Kaisers dargestellt. Das Problem, um das es ging, ist jedoch nicht auf die beteiligten Personen reduzierbar, sondern struktureller Natur. Nicht nur die politische Rolle des Kaisers selbst, auch die seiner Familienmitglieder erforderte außergewöhnliche Fähigkeiten im Umgang mit den – sichtbar an Mißtrauen und Intrigen – äußerst komplexen Beziehungsverhältnissen. Es ist letztlich nicht überraschend, daß die meisten von ihnen damit überfordert waren. Caligula selbst stellte hier, wie sich zeigen sollte, eine Ausnahme dar.
    Das nächste Opfer war sein ältester Bruder Nero, der seit dem Tod des Drusus (II) der erste Kandidat für die kaiserliche Nachfolge war. Er war mit seiner Kusine Iulia, Tochter des Drusus und damit Enkelin des Tiberius, verheiratet worden. Die eigene Haushaltung, über die er damit verfügte, scheint ihm den Untergang bereitet zu haben. «Er war zwar», so umschreibt Tacitus das geschilderte Überforderungssyndrom, «ein bescheidener junger Mann, vergaß aber sehr oft, was für den Augenblick zweckmäßig sei.» (Tac.
ann.
4, 59, 3) Die Freigelassenen und Klienten seiner Umgebung, die für den Fall seines Kaisertums auf eigenen Machtzuwachs hofften, hätten ihn gedrängt, sich aufrecht und zuversichtlich zu zeigen. Das Volk und die Soldaten wünschten seine Thronbesteigung, und Sejan, der jetzt das Vertrauen des alten Kaisers ausnutze, werde nichts dagegen zu unternehmen wagen. Weitere Personen seines Hauseswaren verdeckte Informanten des Prätorianerpräfekten, die alle unüberlegten Äußerungen, zu denen Nero sich hinreißen ließ, ihm und dem Kaiser übermittelten. Selbst des Nachts sei Nero nicht sicher gewesen. Seine Frau habe alles, was er wach oder im Schlaf an Seufzern von sich gab, ihrer Mutter Livilla, diese ihrem Geliebten Sejan übermittelt. Der wiederum schürte zusätzlich Neid und Rivalität von Neros Bruder Drusus (III), den er auf seine Seite zog und dem er Hoffnungen auf den Thron machte. Im Jahre 27, Nero war mittlerweile 21 Jahre alt, Tiberius bereits auf Capri, war es soweit: Agrippina und ihr ältester Sohn wurden unter Arrest gestellt. Es wurden ihnen Soldaten beigegeben, die über alle ihre Aktivitäten, über Briefe und Besuche, die sie erhielten, über sämtliche Äußerungen, die sie machten, Buch zu führen und darüber zu berichten hatten.
    Für Caligula, der als Vierzehnjähriger diese Ereignisse hautnah mitbekam, und für seine beiden jüngsten Schwestern Drusilla und Livilla – die Schwester Agrippina wurde kurz danach verheiratet – mußte daraufhin ein neues Heim gefunden werden. Sie wechselten in den Haushalt der Urgroßmutter Livia, der Witwe des Augustus, die als große alte Dame nach wie vor vielfältige Kontakte in der Aristokratie pflegte und entsprechenden Einfluß hatte. Sie soll es auch gewesen sein, die eine Verurteilung Agrippinas und Neros zunächst verhinderte. Zwei Jahre später starb sie jedoch im Alter von 86 Jahren, was für die Germanicuskinder wiederum einen Wechsel der Umgebung bedeutete. Caligula, der bei dieser Gelegenheit in der
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