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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie
Autoren: Aloys Winterling
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ich Euch schreiben, Senatoren, oder wie soll ich Euch schreiben, oder was soll ich Euch im jetzigen Moment nicht schreiben? Wenn ich das weiß, so mögen mich Götter und Göttinnen schlimmer zugrunde gehen lassen, als ich mich jetzt schon täglich zugrunde gehen fühle.» (Tac.
ann.
6, 6, 1; Suet.
Tib.
67, 1) Die Kommunikation zwischen Kaiser und Aristokratie war kollabiert. Als der 78 Jahre alte Mann, der sich nicht mehr traute, seine Heimatstadt zu betreten, endlich tot war, schrie man in Rom: «In den Tiber mit Tiberius!»
(Tiberium in Tiberim!
Suet.
Tib.
75, 1)
5. Gefährliche Jugend
    Die gesellschaftlichen Zustände, mit denen ein im aristokratischen Milieu Roms unter Tiberius aufwachsender junger Mann konfrontiert wurde, waren alles andere als humanitätsfördernd. Unbegrenzte Gewalt des Kaisers, dessen Befehle ohne Wenn und Aber ausgeführt wurden, der aber zugleich gehaßt wurde und in ständiger Angst vor Verschwörungen leben mußte. Skrupellose Aristokraten, die sich gegenseitig denunzierten und ans Messer lieferten, die dem Kaiser mit Unterwürfigkeit und Opportunismus begegneten, die aber zugleich auf die nächste Gelegenheit zur Verschwörung warteten. Morde und Hinrichtungen als Alltagserfahrung und schließlich eine Doppelbödigkeit der Kommunikation, mit der die realen Verhältnisse überdeckt wurden, der es an jeglicher Offenheit und Ehrlichkeit mangelte und die dadurch die allgemeine Angst und Verunsicherung noch verstärkte. Wie erging es Caligula, der unter den geschilderten Verhältnissen seine Jugend verbrachte?
    Mit dem Tode des Germanicus im Jahre 19 hatte sich für Tiberius ein mögliches Konkurrenzproblem zunächst erledigt. Sein leiblicher Sohn Drusus (II) war aufgrund der Altersverhältnisse nun der einzige in Frage kommende Thronaspirant. Die folgenden Jahre sollten jedoch zeigen, daß die Verteilung des dynastischen Prestiges innerhalb der verschiedenen Zweige der kaiserlichen Verwandtschaft stets erneut zu einem politischen Problem werden konnte – durch Ambitioniertheit einzelner Beteiligter oder durch das Ausnutzen latenter Rivalitäten seitens Dritter.
    Sejans Vertrauensstellung beim Kaiser brachte ihn schon früh in Rivalität zu Drusus. Im Jahre 23, so berichten die Quellen, habe er mit Drusus’ Frau Livilla, einer Schwester des Germanicus, eine Liebesbeziehung begonnen und diese zum Giftmord an ihrem Gatten veranlaßt. Der Sachverhalt wurde acht Jahre später, nach dem Sturz des Prätorianerpräfekten, in einem Prozeß offensichtlich eindeutig nachgewiesen. Sejan wird damals kaum eigene Ambitionen auf den Thron gehabt haben, vielmehr dürfte es ihm um die Sicherung seiner Positionfür den Fall des Ablebens des zu jener Zeit schon über sechzigjährigen Tiberius gegangen sein, die bei einer Nachfolge des Drusus höchst gefährdet gewesen wäre.
    Nach dem Tod des Drusus stand nun schlagartig wieder die beliebte Germanicusfamilie, Agrippina und ihre Söhne, im Zentrum der Nachfolgefrage. Nero und Drusus (III), mittlerweile 17 bzw. 16 Jahre alt, wurden von Tiberius in einer Senatssitzung den Senatoren besonders ans Herz gelegt und somit in ihrer Bedeutung offiziell bestätigt. Der zehnjährige Caligula schien demgegenüber angesichts seines Alters und der beiden größeren Brüder für die Nachfolge nicht in Frage zu kommen, was sich mittelfristig als großer Vorteil erweisen sollte. Schon im Jahr darauf zeigte sich, daß die Senatoren die Aufforderung des Kaisers zu wörtlich genommen hatten. Tiberius äußerte sich verstimmt über das Maß der Ehrungen, das Nero und Drusus zuteil wurde und durch das er sich selbst wohl zurückgesetzt fühlte. Zudem verschlechterte sich sein Verhältnis zu Agrippina, was nach den Berichten der Quellen vor allem auf Intrigen Sejans zurückzuführen war. Dieser soll nach dem Mord an Drusus (II) auch Pläne zur Beseitigung Agrippinas und ihrer Söhne ins Auge gefaßt haben. Nach Tacitus scheiterte dies zunächst jedoch an der Aufmerksamkeit der Wächter im Haus des Germanicus und an der Keuschheit Agrippinas, die für die offensichtlich sehr gewinnende Art des Sejan nicht zugänglich war. Der ließ die Mutter der potentiellen Thronfolger daraufhin durch Livia und Livilla bei Tiberius beschuldigen, sie strebe nach der Herrschaft. Schließlich verleumdete er sie selbst vor dem Kaiser: Agrippina versammle eine politische Gruppierung um sich, es drohe eine Spaltung der Bürgerschaft.
    Als nächstes wurden mit Hilfe gefügiger Senatoren diejenigen
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