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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg
Autoren: James S. A. Corey
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angefangen hatte, war er kaum noch zu bremsen. In mehr als einer Hinsicht hatte Ganymed für die äußeren Planeten das Zentrum der Zivilisation dargestellt. Dort waren die modernsten Pflanzenzuchtanlagen gewesen, dort waren die Biowissenschaften konzentriert gewesen. Aber das war noch nicht alles. Der Wiederaufbau versprach auf seine Weise noch interessanter zu werden als die ursprüngliche Entwicklung. Es war immer ein Forschungsvorhaben, wenn man etwas zum ersten Mal tat. Beim zweiten Mal konnte man alles einbeziehen, was man inzwischen gelernt hatte, und die Verfahren verfeinern, verbessern und perfektionieren. Prax wurde schwindlig, wenn er nur daran dachte. Bobbie hörte mit einem melancholischen Lächeln zu.
    So lief es nicht nur auf Ganymed. Die ganze menschliche Zivilisation baute auf den Ruinen der Vorfahren auf. Das Leben selbst war eine großartige chemische Improvisation, die mit den einfachsten Reproduktionsorganen begann, wuchs, zusammenbrach und erneut wuchs. Katastrophen waren nur ein Teil des sich ewig wiederholenden Prozesses. Ein Vorspiel für den nächsten Akt.
    »Das klingt so romantisch, wenn Sie es sagen.« Aus Bobbies Mund klang es beinahe wie ein Vorwurf.
    »Ich wollte nicht …« Prax unterbrach sich, als sich etwas Kaltes und Feuchtes in sein Ohr bohrte. Mit einem kleinen Schrei wich er zurück und drehte sich zu der strahlend lächelnden Mei um. Von ihrem Zeigefinger troff der Speichel, und hinter ihr lachte sich Amos scheckig, hielt sich mit einer Hand den Bauch und klatschte die andere so fest auf den Tisch, dass die Teller klirrten.
    »Was war das?«
    »Hallo, Daddy, ich liebe dich.«
    »Hier.« Alex reichte Prax eine saubere Serviette. »Die brauchen Sie jetzt bestimmt.«
    Das Erschreckende war die Stille. Er wusste nicht, wie lange es schon so still im Raum war, aber auf einmal überflutete ihn das Schweigen wie eine Woge. Die politische Hälfte des Raums war verstummt. Zwischen den Körpern hindurch konnte er Avasarala beobachten, die sich vorgebeugt und die Ellbogen auf die Knie gestützt hatte, um sich das Terminal ein paar Zentimeter vor das Gesicht zu halten. Als sie aufstand, teilte sich die Menge. Sie war eine kleine Frau, konnte aber jeden Raum beherrschen, wenn sie einfach nur vorbeischritt.
    »Das ist nicht gut.« Holden stand auf. Ohne ein weiteres Wort folgten Prax, Naomi, Amos, Alex und Bobbie seinem Beispiel. Auch die Politiker und Wissenschaftler blieben Avasarala auf den Fersen und vermischten sich dabei endlich.
    Das Auditorium lag jenseits eines breiten Flurs und war einem griechischen Theater nachempfunden. Hinter dem Podium befand sich ein riesiger hochauflösender Bildschirm. Avasarala marschierte zu einem Sitzplatz hinunter und redete leise und schnell auf ihr Handterminal ein. Ihre Furcht konnte man fast körperlich spüren. Der Bildschirm wurde schwarz, und jemand dämpfte das Licht.
    Auf dem dunklen Display stand Venus als fast schwarzer Kreis vor der Sonne. Dieses Bild hatte Prax schon Hunderte Male gesehen. Der Feed stammte von einer der Überwachungsstationen, die nach Dutzenden zählten. Die links unten eingeblendete Zeitanzeige verriet ihm, dass die Aufnahme siebenundvierzig Minuten alt war. Unter den Ziffern war ein Schiffsname zu erkennen: Celestine.
    Jedes Mal, wenn die Protomolekülsoldaten an Gewalttaten beteiligt gewesen waren, hatte die Venus reagiert. Die AAP hatte soeben mehr als hundert dieser halb menschlichen Soldaten getötet. Prax schwankte zwischen freudiger Erregung und Todesangst.
    Das Bild flackerte und baute sich neu auf, nachdem eine Störung die Sensoren verwirrt hatte. Avasarala sagte einige scharfe Worte, die wie »Zeigen Sie mir das« klangen. Einige Sekunden später hielt die Übertragung an, und die Perspektive wechselte. Ein Fenster zeigte ein graugrünes Schiff, auf einem Display war der Name Merman zu sehen. Wieder löste sich das Bild auf, und als es neu entstand, war die Merman ein Stückchen nach links gewandert und drehte sich taumelnd um die eigene Achse. Avasarala sagte wieder etwas. Ein paar Sekunden später zeigte das Display erneut das ursprüngliche Bild. Da er jetzt wusste, wohin er blicken musste, entdeckte Prax die Merman als winzigen Punkt nahe der Penumbra. In der Nähe befanden sich andere ähnliche kleine Punkte.
    Auf einmal pulsierte die dunkle Seite der Venus, und unter der dichten Wolkendecke zuckten gewaltige Blitze über den Planeten. Dann begann er zu glühen.
    Riesige Fäden, die Tausende Kilometer
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